Kursfortschritt gesamt

Modul 1 – Einheit 2

Erstbegegnung mit dem Film Mazel Tov Cocktail

Hintergrundwissen für Anwender*innen:

Ausgangspunkt für eine binnendifferenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus bietet der Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“ aus dem Jahr 2020.
Der Film dreht sich um Dima, einen jüdischen Schüler und Sohn russischer Migrant*innen (sog. „Kontingentflüchtlinge“); mehr zum Thema hier.  Eines Tages wird Dima von seinem Mitschüler Tobi auf der Schultoilette heftig provoziert. Tobi macht sich über Dimas Beschneidung lustig und sagt ihm ins Gesicht, dass Menschen wie er früher vergast worden wären, während er den Erstickungstod theatralisch nachahmt. Dima verliert die Fassung und schlägt Tobi so heftig, dass dieser mit blutender Nase zu Boden geht. Für diesen Vorfall wird Dima für eine Woche vom Unterricht suspendiert.
Dima empfindet keine echte Reue für seine Handlung, bekommt aber Konsequenzen zu spüren: sein Vater streicht ihm die Teilnahme an der anstehenden Klassenfahrt und sein Schulleiter verlangt, dass sich Dima bei Tobi mit einem Blumenstrauß entschuldigt. Auf dem Weg zu Tobi, begegnet Dima unterschiedlichen Menschen, die ihm aufgrund des Vorfalls unterschiedliche „Ratschläge“ geben. So äußert sein Großvater Unverständnis, während Dima ihn von einem AfD-Wahlstand wegzieht und seine (ehemalige) Lehrerin möchte Dima in ihre Klasse einladen, damit er etwas über die Shoah erzählt. Dima trifft Tobi am Ende des Films, der als Teil seiner Bestrafung Stolpersteine auf dem Bürgersteig putzt. Obwohl Dima die Gelegenheit hat, sich bei Tobi zu entschuldigen, bringt er es nicht über sich. Als Tobi ihn erneut provoziert und die Blumen, die Dima als Geste der Entschuldigung mitgebracht hat, auf die Stolpersteine für die ermordeten Juden legt, verliert Dima abermals die Kontrolle.

Das kompakte Format, der biografische Ansatz sowie der facettenreiche Inhalt definieren das fast unerschöpfliche (didaktische) Potenzial des Films. Der Kurzfilm schlägt einen Bogen und thematisiert ganz unterschiedliche Formen und Mechanismen von Antisemitismus, aus der Perspektive eines Betroffenen, der die vierte Wand durchbricht und die Zusehenden direkt anspricht. Dadurch nimmt er sie klar in die Verantwortung, sich selbst mit ihrem unbewussten, unreflektierten Antisemitismus auseinanderzusetzen. Gleichzeitig besteht durch diese Erzählform jedoch auch die Gefahr, dass Menschen denken, sie bräuchten ein Verständnis des Judentums, um das Phänomen Antisemitismus zu verstehen. Dabei ist zu betonen, dass Antisemitismus ein Problem der Mehrheitsgesellschaft ist, welcher auch unabhängig von Juden und Jüdinnen existiert und funktioniert. Die pädagogische Aufgabe ist es, diese Idee aufzubrechen und vor dem Hintergrund einer jüdischen Erfahrung Antisemitismus als Problem der und in seiner Funktion für die Mehrheitsgesellschaft zu thematisieren.
Die in dem Film oft nur angespielten und angedeuteten Varianten von Antisemitismus und Wirkungen auf Juden und Jüdinnen sind enorm facettenreich und gehen von klassischem Antisemitismus (Tobias, der sagt: „früher hätte man das mit dir gemacht“), Schuldabwehr noch in der dritten Generation (durch Marcel, den Jungen an der Ampel) sowie sogenanntem Philosemitismus (durch eine Lehrerin, die Dima beim Einkaufen trifft).
Im Verlauf des Films erläutert Dima verschiedene Formen und benennt diese konkret, sodass die TN nicht nur praxisnahe Beispiele erhalten, sondern auch die richtigen Bezeichnungen kennenlernen.
Wir empfehlen, eine offene Gesprächsrunde zu den Eindrücken aus dem Film einzuführen. Dies ermöglicht es den TN, ihre Gedanken und Assoziationen ohne spezifische Hinweise oder Fragen zu äußern. Diese Herangehensweise scheint uns für den weiteren Verlauf sehr produktiv zu sein, da sie in Verbindung mit den Ergebnissen der ersten Einheit dazu beiträgt, die Dispositionen der TN besser zu verstehen und sie in einen neugierigen sowie selbstbestimmten Erkenntnisprozess einzubeziehen.
Weiterführendes Unterrichtsmaterial für Religion, Ethik, Geschichte und politische Bildung vom Medieninstitut der Länder mit Einteilung in Filmsequenzen und Themen:

Unterrichtsmaterial Masel Tov Cocktail (PDF)

 Ziel

Ziel dieser Einheit ist es, dass die TN Formen von verdecktem und offenem Antisemitismus innerhalb des Films entdecken und zur Sprache bringen können. Sie sollen sich in Ansätzen in eine jüdische Perspektive hineinversetzen, die im Film mit verschiedenen Formen von antijüdischem und antisemitischem Verhalten konfrontiert wird.

Ablauf

Hinweis: Diese Einheit dient dazu, den Film zunächst zu sichten und erste Impressionen zur Sprache zu bringen. Tiefgreifende Auseinandersetzung mit Fremdbildern folgen in den weiteren Einheiten.

  1. Titel des Films wird angeworfen/angeschrieben und die TN sollten Assoziationen zum Titel sammeln. Mögliche Fragestellung(en): Was assoziiert ihr mit dem Titel? Welches Wortspielt steckt dahinter? Habt ihr Ideen, welches Thema der dazugehörige Film haben könnte?

Erklärung: Masel Tov ist hebräisch und bedeutet „Viel Glück“ oder auch „ich gratuliere“. Der Titel des Films lässt sich also mit „Ich gratuliere zum ‚antisemitischen‘ Cocktail.“ Zusätzlich ist es eine Anspielung auf einen Molotowcocktail, einen Wurfbrandsatz, der leicht entzündlich ist, und vor allem in Straßenschlachten und bei Aufständen genutzt wird.

  1. Film wird im Plenum geschaut
  2. Anschließend sammeln sie ihre Eindrücke auf vorher ausgeteilten Karteikarten. Die Impulsfragen hierzu sollten lauten: Was hat euch gefallen und warum? Was habt ihr für Fragen an den Film?

Hinweis: Um die Einheit zu beschleunigen, kann hier auch auf eine mündliche Sammlung mit Visualisierung an der Tafel/Flipchart o.Ä. zurückgegriffen werden.

  1. Vertiefende Fragerunde, abhängig von Antworten zu den Beobachtungsaufgaben. Mögliche Fragen zur vertiefenden Diskussion: Dabei geht es noch nicht darum „den“ Antisemitismus oder „die“ Antisemitismen zu erklären, sondern Erscheinungsformen zu entdecken.
    1. Was bedeutet die Körpersprache von Tobias?
    2. Wie ist der Satz: „Verstehen Sie, warum ich Tobi in die Fresse hauen musste?“ zu bewerten?
    3. Warum können Dimas Eltern seine Reaktion nicht nachvollziehen? Woher kommt diese Reaktion? Ist sie für euch nachvollziehbar?
    4. Was meint Dima, wenn er von „Täter-Opfer-Umkehr“ spricht?
    5. Wieso ist Dima genervt, als ihn die Lehrerin anspricht?
    6. Alternativ ließe sich auch mit von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KigA) zusammengestellten Zitaten aus dem Film und Aufstellungen arbeiten, die ihr hier findet, wie auch eine Anleitung, wie damit zu arbeiten wäre. Das ist wieder eine Zeitfrage und könnte auch den Einstieg in Einheit 3 bilden. Hier sind die Materialien zu finden unter Schritt 3 Positionierungsübung oder hier zum download einmal die Anleitung und die Zitate:

Anleitung (PDF)

Zitate (PDF)

  1. Abschlussrunde: Mit welchen Fragen beschließt ihr diese Einheit?

 Methode

– Filmanalyse

– Plenumsgespräch

 Material

– Pinnwand/Flipchart/Tafel

– Karteikarten

– Film Mazel Tov Cocktail (wechselnd in diversen öffentlich-rechtlichen Mediatheken oder auf Streamingsdiensten auffindbar; wahlweise leihbar bei den Landesmedienzentralen oder den kirchlichen Medienzentralen)