Kursfortschritt gesamt

Modul 5 – Einheit 5

Falsche Gegensätze

Hintergrundwissen für Anwender*innen:

Die Dualisierung von Glaubensgrundsätzen und Werten ist ein grundlegendes Element antijüdischer und antisemitischer Glaubensformen. Seine Ursprünge liegen im biblischen Streit um die „Wahrheit“ nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem – dem zentralen Bezugspunkt für Juden und Jüdinnen mit und ohne Messiasglauben. In diesem Ringen unter Geschwistern geht es im Streit mal auch etwas rauer zu. Dieser innerjüdische Konflikt prägte in der Rezeptionsgeschichte Fehlinterpretationen von biblischen Aussagen, beispielsweise im Fall des biblischen Gebots „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Diese Aussage, die eigentlich eine angemessene Entschädigung für einen körperlichen Schaden anstelle von Rache anstrebt, wurde in der Kirchengeschichte oft fehlinterpretiert. Auch die Bergpredigt wird häufig als „Antithese“ verstanden, obwohl sie lediglich eine rhetorische Form verwendet, die später als „rabbinisch“ bezeichnet wurde.

Kirchengeschichtlich führte diese dualistische Lesart dazu, dass behauptet wurde, Gottes Verheißungen gälten nicht mehr Israel, sondern allein der Kirche. Das Judentum wurde als „verworfenes altes Volk“ dargestellt, während die Kirche als das „neue Jerusalem“ gefeiert wurde. In der Kunstgeschichte fand diese Abwertung des Judentums ihren Ausdruck in Bildmotiven wie der Synagoga und der Ecclesia. Ein besonders gewaltvolles Beispiel zeigt Christus selbst, der mit einem verlängerten Kreuzesarm eine Lanze in die Synagoge stößt. In anderen Darstellungen, wie der klassischen Darstellung von Ecclesia und Synagoga, verliert die Synagoge ihre Krone, ihre Lanze ist zerbrochen und die Gültigkeit der Torah wird zugunsten einer triumphierenden Ecclesia aufgehoben.

Diese Einheit zeigt anhand zentraler kirchengeschichtlicher Motive, wie Abwertung und Selbstidealisierung als Mechanismen des Antijudaismus fungieren. Dabei muss stets betont werden, dass diese Darstellungen ungerechtfertigte und oft gewaltvolle Polemik gegen das Judentum sind., auf dessen Gründungsurkunde (Altes Testament) das Christentum doch angewiesen ist.

Weiterführendes Material:

„Antisemitismuskritische Bibelauslegung“, Vortrag zum Nachlesen oder als Video: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Matthias Ederer erklärt das Talionsgesetz 

 

 Ziel

Ziel dieser Einheit ist es, dass die TN anhand zentraler Beispiele die Mechanismen von Selbstidealisierung sowie deren Grundstruktur (Dualisierung in „gut“ und „böse“) benennen können. Außerdem verstehen die TN, dass die Themen dieser Dualisierung zentrale Elemente des Selbstbildes darstellen, die auf ein negatives Stereotyp des Jüdischen angewiesen scheinen. Anhand des Motivs „Auge um Auge“ führen die TN eine Medienanalyse durch und arbeiten heraus, dass dieses religiöse Motiv direkten Einfluss auf die säkulare Welt hat.

Ablauf

  1. Ausstellung mit Bildern und Texte: Das Material wird im Raum verteilt und die TN bekommen Klebezettel zugeteilt. Sie sollen das Material sichten und unter den Fragestellungen „Wie wird hier die Beziehung zwischen Judentum und Christentum dargestellt? Welche Motive treiben diese Darstellung an?“ Schlüsselworte/Kommentare verfassen, aber auch Fragen formulieren, die sie zu den jeweiligen Bildern/Materialen kleben.
  2. Verständnisfragen klären.
  3. Die TN werden in vier Gruppen eingeteilt (bei größeren TN-Zahlen können die Gruppen auch „doppelt besetzt“ werden). Diese Gruppen bekommen nun jeweils ein anderes Thema zugeteilt:
    • Gruppe 1 (Texte zu „Auge um Auge“, s. Material). Aufgabestellungen:
      1. Lest den biblischen Text und die bereitgestellten Materialien. Notiert die verschiedenen Interpretationen des Grundsatzes „Auge um Auge“.
      2. Vergleicht die Missverständnisse in der säkularen Rezeption mit der Gegeninterpretation und erstellt eine Übersicht.
      3. Entwickelt ein Streitgespräch, in dem ihr Argumente für und gegen die wörtliche Auslegung des Textes präsentiert. Schreibt ein Skript für das Streitgespräch, das die wichtigsten Argumente klar und überzeugend formuliert.
      • Gruppe 2 (Darstellung „ecclesia und synagoga“, s. Material).
        1. Recherchiert die historischen Hintergründe und die Symbolik der Figuren ecclesia und synagoga.
        2. Entwickelt ein Rollenspiel, das die Emotionen und Gedanken der Figuren darstellt. Inszeniert dies zunächst als Pantomime. Wie fühlen sich die beiden Figuren? Was strahlen sie aus?
        3. Entwerft ein weiteres Rollenspiel mit Text, in dem ein Dialog zwischen ecclesia und synagoga stattfindet zur Frage, ob die Figuren von den Kirchen entfernt werden sollen. Diskutiert die unterschiedlichen Perspektiven und integriert diese in euer Rollenspiel.
      • Gruppe 3 (Zitat von Eusebius & Faktencheck s. Material). Aufgabestellungen:
        1. Lest das Zitat von Eusebius und informiert euch über den historischen Kontext.
        2. Führt einen journalistischen Faktencheck durch und analysiert die zentralen Aussagen des Zitats (Hinweis: z.B. „Juda“ als Stamm bei wikipedia nachlesen).
        3. Identifiziert Missverständnisse oder fehlerhafte Interpretationen, insbesondere in Bezug auf die Nachfolgelinien Joseph und Judas. Dokumentiert eure Erkenntnisse in einem (Zeitungs-Bericht, der die wichtigsten Ergebnisse zusammenfasst.
      • Gruppe 4 (Bild „Lebendes Kreuz“, s. Material). Aufgabestellungen:
        1. Analysiert das Bild „Lebendes Kreuz“ und beschreibt die Darstellung sowie die darin enthaltenen Symbole.
        2. Erstellt einen Kommentar oder eine Triggerwarnung für das Bild, die die Betrachter über den Inhalt informiert.
        3. Formuliert eine schriftliche Beschreibung des Bildes und reflektiert, welche gewaltvollen Aspekte problematisch sein könnten. Entwickelt den Kommentar in einer Form, die euch dazu geeignet scheint, z.B. Audiokommentar.

4. Die Gruppen präsentieren ihre Ergebnisse im Plenum.

 Methode

Gruppenarbeit mit verschiedenen thematischen und methodischen Schwerpunkten (Bildbetrachtung und -analyse, Gruppendiskussion, Rollenspiel, Recherche)

 Material