Modul 5 – Einheit 6
Bildspiegelung
Hintergrundwissen für Anwender*innen:
Nachdem in den vorherigen Einheiten verschiedene Beispiele für die christliche Abwertung des Judentums analysiert wurden, liegt der Fokus dieser Einheit auf der Übertragung christlicher Motive in den säkularen Antisemitismus. Anhand von Bildern sollen die Teilnehmenden erkennen, wie bestimmte Motive in aktuellen, nicht-kirchlichen Kontexten christliche Prägungen aufweisen. Dazu gibt es zwei Bildgegenüberstellungen, die eine Spiegelung antisemitischer Motive verdeutlichen:
Die erste Gegenüberstellung zeigt das Werk von Cranach mit dem Thema „Gesetz und Gnade“. Dieses Bild betont eine Abwertung des Alten Testaments und der Gebote, die als strenge Verbote ohne Freiheit und Gnade dargestellt werden – ein gängiges antisemitisches Bild, das das Judentum als rückständig und reglementiert erscheinen lässt. Diese Botschaft spiegelt sich in zwei modernen Darstellungen wider: einer Werbekampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) aus dem Jahr 2021 gegen Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und einer Karikatur von Angela Merkel.
Die zweite Bildspiegelung greift die Rezeption der Figur des Judas aus den vorherigen Modulen auf. Sie umfasst eine Darstellung des Abendmahls von Cranach sowie ein Meme und ein Filmplakat des NS-Propagandafilms „Der ewige Jude“. Beide modernen Beispiele greifen die antisemitischen Motive von Verrat und Geldgier auf und stellen eine Verbindung zu den historischen Bildtraditionen her.
Wichtig ist zu beachten, dass eine detaillierte Analyse der Bilder nicht erforderlich ist; entscheidend ist die Auseinandersetzung mit den zentralen Motiven: Judas und Geld/Verrat sowie Gesetz/Gebote und Gnade/Freiheit. Anschließend erfolgt eine Reflexion über das daraus abgeleitete Selbstbild, um die Selbstidealisierung und die Funktion von Antisemitismus zu verstehen.
Beschreibung der Bildmaterialien
Lukas Cranach der Ältere „Allegorie von Gesetz und Gnade“, 1529
Eine mögliche Interpretation des Bildes zeigt die Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade. Auf der linken Seite wird das Gesetz durch Mose und die Gesetzestafel repräsentiert, wobei daraus für den Menschen Tod und Sünde resultieren, symbolisiert durch das Skelett und das Ungeheuer, das den Sünder ins Feuer treibt. Adam und Eva sind ebenfalls abgebildet und stehen für die angebliche Ursünde (Das Wort Sünde kommt in der Paradiesgeschichte gar nicht vor).
Im Gegensatz dazu vermittelt die rechte Seite des Bildes eine andere Botschaft: Johannes weist denselben Menschen auf Jesus und das Kreuz hin, das durch die Auferstehung den Tod überwindet. Der Baum in der Mitte des Bildes spielt eine wichtige Rolle: Auf der linken Seite hat der Baum keine Blätter mehr und symbolisiert den Tod, während die rechte Seite mit grünen Blättern das Leben darstellt. Die Figur auf der rechten Seite repräsentiert den auferstandenen Christus, der den Drachen, als Symbol für den Tod, bezwingt und damit das ewige Leben ermöglicht.
Diese Analyse/Beschreibung ist angelehnt an diese Ausführungen
Das Bild ist im Material oder auch online hier zu finden.
1a Werbekampagne der INSM, 2021
Die Werbekampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) aus dem Jahr 2021 richtet sich gegen Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen und trägt den provokanten Slogan „Wir brauchen keine Staatsreligion“. Ein zentraler Hinweis in der Kampagne lautet: „Verbote haben noch nie ins Gelobte Land geführt“.
In der visuellen Darstellung ist Annalena Baerbock in einer Fotomontage zu sehen, die sie in einem grünen Kaftan-Mantel zeigt, der an biblische Darstellungen von Mose erinnert. Sie hält zwei Steintafeln in den Armen, die symbolisch für die zehn Gebote stehen und mit zehn „Verboten“, die ihrer Partei zugeschrieben werden, versehen sind. Diese Darstellungen schaffen eine Assoziation zwischen Baerbock und einer autoritären Interpretation von moralischen und politischen Vorschriften, was die Argumentation der Kampagne verstärkt.
1 b Karikatur von Merkel
Zusätzlich könnte eine Merkel-Karikatur bearbeitet werden, die den deutschen Michel zwischen die beiden Gebotstafeln einspannt. Auch hier liegt eine negative Assoziation mit den Gebotstafeln vor. Die Karikatur ist hier zu finden.
2. Lukas Cranach der Ältere „Der Reformationsaltar“, ca. 1547/1548
Martin Luther gab in den 1530er Jahren den Auftrag für ein Abendmahlsbild, das als Mittelbild des Reformationsaltars in der Stadtkirche aufgestellt wurde. In Cranachs Darstellung sitzt Judas am Rand, mit einem Geldbeutel in der Hand, was ihn als Verräter kennzeichnet, während Jesus und die Jünger als geschlossene Gemeinschaft wirken. Die Farben und die Art, wie die Figuren dargestellt sind, heben die Spannungen zwischen ihnen hervor, besonders bei Judas, der auffällig in Gelb und Rot gekleidet ist (was eine Symbolik für Neid und Gier darstellt). Das Bild wird auch als Erinnerung an Martin Luther und seine reformatorischen Ideen gesehen, wobei die Darstellung von Judas antisemitische Untertöne zeigt, die auch in Luthers Schriften zu finden sind.
Das Bild ist im Material oder auch online hier zu finden.
Hier finden sich genauere Beschreibung und Arbeitshilfen.
2a Plakat zur NS-Propaganda-Ausstellung „Der ewige Jude“, 1937
Der „Ewige Jude“ ist eine Gestalt aus der christlichen Legendenbildung des Mittelalters, die ursprünglich von einem jüdischen Schuhmacher namens Ahasver erzählt, der Christus angeblich während seiner Kreuzigung beleidigte und dafür zur ewigen Rastlosigkeit verflucht wurde. Unter dem Arm hat er außerdem ein kommunistisches Symbol und in der offenen Hand Goldmünzen – eine Anspielung auf verschiedene Verschwörungserzählungen. Dieses Bild verfestigte sich in den Köpfen vieler Menschen und wird bis heute mit „dem Judentum“ in Verbindung gebracht.
Das Bild ist unter Material zu finden oder auch online hier.
Weitere Ausführungen zur Ausstellung hier bei der bpb.
2b Meme über Judas Rolle beim Abendmahl auf Twitter
Das Meme, welches in den sozialen Medien geteilt wurde, greift „Das Abendmahl“ von Leonardo da Vinci auf, in welches dann zwei Männer in Uniformen (scheinbar Polizeiuniformen) per Bildbearbeitung hineingesetzt wurden. Durch die Bildunterschrift „Wir haben einen Anruf von Hr. Judas erhalten“ wird das Verrätermotiv bestärkt und damit antijüdische und antisemitische Stereotype und Verschwörungserzählungen weitergetragen. Eine ausführliche Beschreibung des Memes ist in Modul 2, Einheit 7 zu finden.
Ziel
Ziel dieser Einheit ist es, dass die TN zentrale antijüdische und antisemitische Stereotype sowie deren genuin christliche Signaturen und Motive, wie die negative Sicht auf Gebote und das „jüdische“ Gesetz, erkennen und benennen können. Außerdem entwickeln sie ein Verständnis für die antisemitische Rezeptionsgeschichte von Judas. Sie sind in der Lage, zentrale antijüdische und antisemitische Stereotype und Motive zu identifizieren.
Ablauf
- Die Bildspiegelungen (s. Material) werden angeworfen/ausgeteilt und im Plenum nach einer Bildbeschreibung und Fragerunde analysiert. Dabei können folgende Fragen beantwortet werden:
- Was seht ihr, was versteht ihr nicht?
- Welche Motive lassen sich erkennen und wiederholen sich?
- Welche Gemeinsamkeiten haben die beiden Bilder?
- Die TN werden nun in Paare eingeteilt und bearbeiten folgenden Aufgaben:
- Entwickelt für jede Bildspiegelung einen Titel.
- Diskutiert die Intention der Künstler*innen/Autor*innen. Wie spiegelt sich ihr Selbstbild darin wider?
- Sammeln der Ergebnisse im Plenum und visualisieren der Ergebnisse.
- AB „Antisemitismus-Cocktail“ und „Warum schmeckt’s“ ausfüllen bzw. vervollständigen. Hier weitere Infos dazu.
Methode
– Bildanalyse
– Partner*innenarbeit
– Plenumsdiskussion