In der Schule lernte ich Otto von Bismarck als großen, umsichtigen und rational handelnden Politiker kennen. Dass er auch ein großer Kolonialpolitiker war, der zusammen mit vielen anderen deutschen Kaufleuten, Politikern, Missionaren und deren Ehefrauen für das Leid von Millionen von Menschen mitverantwortlich war, lernte ich in der Schule nicht. Bis heute besteht der Mythos, dass Deutschlands Verwicklungen in koloniale Machenschaften nicht der Rede wert seien. Ende Februar 2016 wird in Berlins Wilhelmstraße der 10. Gedenkmarsch zur Erinnerung an die afrikanischen Opfer von Sklavenhandel, Sklaverei, Kolonialismus und rassistischer Gewalt stattfinden (www.africavenir.org). Der Marsch erinnert an die von Bismarck organisierte Berliner Afrikakonferenz 1884/85, als der Kontinent unter den europäischen Kolonialmächten per Linealstrich auf der Landkarte aufgeteilt wurde. Das deutsche Kaiserreich ergatterte die Kolonien Deutsch-Südwest (Namibia), Deutsch-Ostafrika (Tansania, Burundi, Ruanda), Kamerun und Togo. Der Dokumentarfilm „Das koloniale Missverständnis“ des kamerunischen Regisseurs Jean-Marie Teno weist darauf hin, wie eng die kirchliche Mission in koloniale Handelsinteressen verstrickt war. Die von der Erweckungsbewegung geprägten protestantischen Missionsgesellschaften, die nach der Reichsgründung zunehmend nationalistisch wurden (wofür sie übrigens auch Luther bemühten), legten oft den Grundstein für spätere „Schutzverträge“ bzw. territoriale Eroberungen und trugen zu einem stabilen Kolonialregime bei.
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