Verstrickungen: Rechtspopulismus und Kirche

Möglichkeiten pastoralen Handelns im Kontextgruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

AbleismusAntisemitismusDiskriminierungRassismus

Publiziert: 2017

1. Einleitung

Rechtspopulistische Bewegungen und Parteien haben sich erfolgreich in den letzten Jahren in Europa etablieren können. Auch in meiner Ausbildungsgemeinde begegnen mir Menschen mit rechtspopulistischen Einstellungen und Praxen, die keinen Widerspruch zu ihrem Glaubendarstellen. Dies ist nicht zu verharmlosen, sondern ein gesellschaftlichesund kirchliches Problem. So nahmen diesbezüglich motivierte Straf-und Gewalttaten in den letzten Jahren zu. Aber was sind das genau für Einstellungen? Wo begünstigt Kirche und Glaube solche Einstellungen und wie ist ihnen nachhaltig entgegenzuwirken? Kirche kann, so Christian Staffa, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche undRechtsextremismus, „nur Teil der Lösung [sein], wenn wir verstehen, dass wir Teil des Problems sind“.1 Ziel der Hausarbeit ist, die Verstrickungen von Kirche mit Rechtspopulismus und den Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu verstehen. Dies soll meine pastorale Handlungsfähigkeit stärken, um nachhaltig Gemeinden hin zu einem menschenfreundlichen Glauben und Handelnzu begleiten. Dies in Vorfreude und Angewiesenheit auf den kommenden Schalom Gottes.

1 https://www.eaberlin.de/team/studienleitung/sammelseite-staffa/christianstaffa/

2. Verstrickungen: Rechtspopulismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Kirche

„I can’t breathe.“ (Eric Garner)2

Ich nähere mich zunächst dem Phänomen Rechtspopulismus in Deutschland. Es wird sich zeigen, dass der politisch-analytische Begriff Rechtspopulismus sinnvoll mit dem Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Zusammenhang gebracht werden kann. Dies ermöglicht einen Blick auf menschenfeindliche Einstellungen jenseits organisierter, rechtspopulistischer Strukturen (2.1). Dass Kirchenmitglieder nicht frei von diesen Einstellungen sind, zeigen repräsentative Untersuchungen (2.2). Im dritten Schritt möchte ich einige Thesen zur Entstehung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit darstellen und diskutieren. Sie bieten Hinweise für eine nachhaltige Prävention gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und damit auch dem weiteren Etablieren rechtspopulistischer Strukturen (2.3). Abgeschlossen wird der erste Teil mit einer systematisch-theologischen Deutung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Überlegungen zum Umgang mit dieser (2.4).

2 Eric Garner wurde aus rassistischen Motiven von der US-amerikanischen Polizei am 17. Juli 2014 in New York getötet. Die Polizisten wurden nicht angeklagt. Dies war ein Auslöser der Bewegung „Black Lives Matter“. „I can’t breathe“ waren seine letzten Worte (vgl. http://www.hiaw.org/garner). Aufmerksam wurde ich auf Garners Worte durch EMCKE, Gegen den Hass, 104.

2.1. Rechtspopulismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Im letzten Jahrzehnt konnten populistische, v.a. rechtspopulistische Bewegungen in Europa ihr Mobilisierungspotential beweisen und sind nun in einigen Ländern Teil der Regierung.3 Dementsprechend hat der Begriff Rechts-/Populismus Konjunktur. Doch was ist Populismus und was ist Rechtspopulismus? Basiserzählung des Populismus ist der Gegensatz zwischen dem Volk/Wir-da-Unten und einer korrupten Elite/Ihr-da-oben.4 Durch die Erzählung wird ein Volk konstruiert, die Grenzen der Zugehörigkeit definiert und dies plausibel zu machen versucht. Im Rechtspopulismus wird das „Volk“ entlang kulturell-rassistischer, heterosexistischer, antisemitischer und chauvinistischer Grenzen bestimmt. Das hat Tradition und funktioniert damit plausibilisierend: In Deutschland ist (lange auch juristisch) der Begriff „Volk“ eng mit „Blutsverwandschaft“ und Homogenität verknüpft. Die homogen vorgestellte „Volksgemeinschaft“ wird nun als von religiöser, kultureller oder ethnischer „Überfremdung“ bedroht konstruiert. Akteur*innen in Deutschland sind u.a. die Bewegungen x-gida und die Partei AfD, die sich als „Stimme des Volkes“ inszenieren, um den eigenen Machtanspruch durchzusetzen.5

Erster Schritt, diesen Machtanspruch durchzusetzen, ist nicht die Gründung einer Partei und der Gang zur Wahlurne. Der erste Schritt ist der Versuch, kulturelle Hegemonie zu gewinnen. Es ist also ein allgemeines Klima zu schaffen, in dem der rechtspopulistische Diskurs plausibel/wahr klingt. Diese Strategie ist vom kulturkämpferischem Konzept des völkisch-nationalistischen Intellektuellen der Weimarer Zeit Arthur Moeller und dem Vordenker der „Neuen Rechten“ Alain de Benoist inspiriert.6 Um menschenfeindliche Positionen schlicht als eine konservative Meinung zu etablieren, werden in diesem Bestreben um Hegemonie die Grenzen des Sagbaren verschoben. Ziel ist die Neudefinition dessen, was gesellschaftlich unter konservativ akzeptiert ist, um so neue Wähler*innen für rechte Politik zu erschließen.

Wie dies nun geschehen kann, zeigt ein AfD-Strategiepapier von 2016 ganz offen. Mediale Aufmerksamkeit ist mittels Provokationen zu suchen, statt gesellschaftliche Probleme tatsächlich anzugehen.7 „Provokativ“ bzw. aggressiv abwertend wird gegen politische Gegner*innen vorgegangen und nationalsozialistisches Vokabular wie „Lügenpresse“ und „völkisch“ versucht zu rehabilitieren.8 In der angestrebten Aufkündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention zeigt sich eine weitgehende Ablehnung universaler Menschenrechte.9 Erfährt nun diese Verschiebung der Sprache oder der politischen Kultur Kritik, wird dem mit einer Selbstviktimisierungsstrategie begegnet: Beklagt wird die angebliche „Tabuisierung von Meinungen“ und das „Demokratiedefizit“. Bezeichnend für den Rechtspopulismus ist seine inkonsistente Programmatik. Der Populismusexperte Ernesto Laclau zeigt, dass im Populismus Unterschiedlichste sich unter dem Label Volk versammeln, welches ein „leerer Signifikant“ ist.10 Aufgrund der Unbestimmtheit des Signifikanten ist er geeignete Projektionsfläche für alle möglichen Enttäuschungen und Sinndeutungen. Dies erklärt seine inkonsistente Programmatik. Anders als bei anderen Bewegungen und Parteien ist das Fehlen eines konsistenten Programms hier eine Erfolgskategorie. Es ermöglicht relativ frei, „auf emotionalisierbare und mobilisierungsfähige Themen in der Bevölkerung zu reagieren“.11 Rechtspopulistische Wortführer*innen sind auf diese emotional ausbeutbaren Signalereignisse, wie z.B. die verstärkte Aufnahme von Geflüchteten im Sommer 2015, angewiesen. Dementsprechend versteht Alexander Gauland (AfD) dann auch die „Flüchtlingskrise als Geschenk“.12 Die Einschätzungen, wie hoch der Anteil der Bevölkerung mit rechtspopulistischer Orientierung ist, gehen etwas auseinander. Doch zunächst die Begriffsklärung:  rechtspopulistische Orientierung besteht nach der Soziolog*in Anna Klein und Wilhelm Heitmeyer aus den Elementen  Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, autoritäre Aggression (z.B. Punitivität im Sinne einer Law-and-Order-Politik), Nationalismus und mittlerweile verstärkt Islamfeindlichkeit.13 2011 gehen sie von „knapp einem Zehntel“ aus, weisen aber darauf hin, dass sie diese „sehr streng“ abgefragt haben. Allen Aussagen, die auf eine rechtspopulistische Orientierung schließen lassen, musste mit mindestens „eher zustimmend“ geantwortet werden.14 Bei Schaefer/Mansel machen rechtspopulistische Orientierungen dagegen ein Fünftel der Bevölkerung aus.15 Wie ist nun das Verhältnis von der extremen Rechten zum Rechtspopulismus zu bestimmen? Zwischen ihnen besteht weltanschauliche Nähe und personelle wie organisatorische Überschneidungen.16 Differenzen sind die gemäßigtere Ausdrucksweise und Handlungspraxis der Rechtspopulist*innen, die auf die Gewinnung konservativer Kreise zielen. Dagegen ist der für die EKBO relevante „ostdeutsche Rechtsextremismus militant, subkulturell, bewegungsförmig.“17 „Gewalt, Selbstjustiz und die Jagd auf Asylsuchende werden als legitim angepriesen.“18 In Brandenburg starben seit 1990 so viele Menschen durch rechte Gewalt wie in keinem anderen Bundesland.19

Weitere Unterschiede zur extremen Rechten sind der etwas zurückgehaltene Antisemitismus, das Bekenntnis zur christlichen Tradition und die zumindest nicht explizit formulierte Fundamentalopposition der Rechtspopulist*innen. Insgesamt wird „stärker auf eine graduelle Veränderung nach Maßgabe völkischnationalistischer Imperative“ gesetzt.20 Doch drängt „der Rechtspopulismus auf eine gewaltorientierte Durchsetzung der eigenen Propaganda“ und ist damit Nährboden rechten Terrors.21 Doch nicht nur zur extremen Rechten bestehen Verknüpfungen. Die parlamentarische Sitzordnung durchbrechend, sind rechtspopulistische Einstellungen auch bei Menschen zu finden, die sich als „,genau in der Mitte‘ wähnen und selbst bei denen, die sich ,links‘ von der Mitte platzieren“.22 Da sie sich weder in Straftaten noch im Wahlverhalten niederschlagen müssen, geraten sie leicht aus dem Blick, beeinflussen aber das gesellschaftliche Klima. Sie sind der Nährboden sowohl für Straf- und Gewalttaten, als auch für die scheinbar plötzlichen Erfolge rechtspopulistischer Parteien. Denn sie lassen die Erzählung vom „reinen Volk“ plausibel erscheinen. Diese Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft durch repräsentative Studien belegt zu haben, ist der große Beitrag der Leipziger „Mitte-Studien“ und des Bielefelder Langzeitprojekts „Deutsche Zustände“.23 Dem Bielefelder Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird im gegenwärtigen Diskurs der Vorurteilsforschung und auch in kirchlichen Stellungnahmen und Interventionen zu Rechtspopulismus ein zentraler Stellenwert zugewiesen. Das liegt zum einen daran, dass die Etablierung der rechtspopulistischen Partei AfD eben auf Basis der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit so erfolgreich ist, womit nachhaltige Prävention auch bei den Einstellungen anzusetzen hat. Zum anderen liegt es m.E. aber auch an der analytischen Unschärfe der Begriffe Rechts-/Populismus.24 Trotz einer breiten publizistischen und wissenschaftlichen Debatte (die theologisch-wissenschaftliche Literatur dazu ist jedoch sehr schmal) ist die Schwierigkeit einer Begriffsdefinition auffällig. Häufig – so auch in meiner Hausarbeit – bleibt es bei einer vagen Beschreibung, in der relevante Aspekte aufgezählt werden, die jedoch der*dem Leser*in immer ergänzungsbedürftig erscheinen. Aus diesen beiden Gründen vertiefe ich meine politisch-soziologische Analyse mit dem Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bezeichnet abwertende Einstellungen und Vorurteile innerhalb der Mehrheitsgesellschaft gegenüber als anders definierten Gruppen. „,Feindselige […] Mentalitäten‘ können dabei ,sowohl als Vorformen als auch als Legitimationen zerstörerischer Brutalität dienen‘ […].”25 Fokus sind die individuellen Einstellungen von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft gegenüber verschiedenen schwachen Gruppen. Unterschiedliche Phänomene wie Sexismus, Homofeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Heterophobie (Aversion gegen Menschen, die sich nicht einer Norm entsprechend verhalten) wurden untersucht, wobei sich zeigte, dass diese miteinander korrelieren. Das ist nicht neu und wurde innerhalb der Vorurteilsforschung schon länger angenommen.26 Neu ist die quantitative Fundierung dieser Korrelationen in Deutschland und die Explikation der Zusammenhänge als ein Syndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Kern des Syndroms ist die Annahme der Ungleichwertigkeit von Menschen.27

Nun zum Ausmaß gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland. Grundlage ist mir die zwar nicht ganz aktuelle, doch solide und leider letzte Studie der Reihe „Deutsche Zustände“ aus dem Jahr 2011. Bei den Werten handelt es sich um statistische Größen, die versuchen, ein gesellschaftliches Abbild zu zeichnen. Jedes Element wurde mit zwei oder drei Aussagen erfasst, von denen ich beispielhaft nur eine und die jeweilige Zustimmung der Befragten darstelle. Dies erlaubt also keine Aussage, wie groß die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit allgemein bei deutschen Staatsbürger*innen ist. „Bezüglich der Fremdenfeindlichkeit stimmen 47,1 Prozent der Aussage zu: ,Es leben zu viele Ausländer in Deutschland‘ und 29 Prozent finden, es sei richtig, diese bei Arbeitsplatzknappheit ,in ihre Heimat zurückzuschicken‘. 13 Prozent der Befragten stimmen der antisemitischen Aussage zu: ,Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss‘. 22,6 Prozent stimmten der islamfeindlichen Aussage zu ,Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden‘. 40,1 Prozent haben ,Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten‘. 18 Prozent stimmten der sexistischen Aussage zu ,Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen‘. Und 25,3 Prozent finden es ,ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen‘. 61,2 Prozent finden es ,empörend, wenn sich die Langzeitarbeitslosen auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machen‘. Und 38 Prozent finden ,die Obdachlosen in den Städten unangenehm‘. Fast ,37 Prozent der Befragten [sind] der Auffassung, bestimmte soziale Gruppen seien nützlicher als andere, und fast dreißig Prozent finden, daß [sic] eine Gesellschaft sich Menschen, die wenig nützlich sind, nicht leisten kann‘. 11,3 Prozent halten die ,Forderungen von Behinderten überzogen‘.“28 Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und rechtspopulistische Bewegungen und Parteien begünstigen sich gegenseitig, was unter der Deprivationstheorie behandelt wird (2.3). Zudem materialisieren sich die Einstellungen in gewaltvollen Praxen. So stiegen in Berlin 2016 (und nicht nur ihre Meldung) antisemitische, rassistische, trans- und homofeindliche Gewalt- und Straftaten.29 Abschließend ist deutlich zu machen, dass Rechtspopulismus nicht gleichzusetzen ist mit einer Haltung, oder Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Rechtspopulismus ist vielmehr eine politische Strategie der Konstruktion eines „Volkes“, dessen Erfolg allerdings in der breiten gesellschaftlichen Verankerung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit liegt. Im Blick auf nachhaltige Prävention wurde sich der Bielefelder Vorurteilsforschung und ihrem Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zugewendet. Damit konnte gezeigt werden, dass menschenfeindliche Einstellungen nicht allein im sogenannten rechten Spektrum, sondern in der gesellschaftlichen Mitte zu finden sind. Es ist daher anzunehmen, dass sie auch in der kirchlichen Mitte vorhanden sind. Das soll im Folgenden untersucht werden.

 

3 Mit Regierungsbeteiligung z.B. die Partei Fidesz in Ungarn (seit 2014), PiS in Polen (seit 2015), SVP in der Schweiz (seit 2015), Perus in Finnland (seit 2015) und ohne Regierungsbeteiligung Front National in Frankreich und die PVV in den Niederlande. In Deutschland ist die AfD bisher nur temporär erfolgreich und nicht dauerhaft auf Landes- oder Bundesebene etabliert.
4 Vgl. MÜLLER, JAN-WERNER, Was ist Populismus?, 42.
5 AfD meint: Alternative für Deutschland. PEGIDA meint: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Nach Jürgen Elsässer sei am Anfang von Pegida diskutiert worden, die Proteste Pegada zu nennen: Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes. Doch aus mobilisierungstechnischen Gründen, sei die Entscheidung auf den Islam als „greifbares“ Problem gefallen (https://www.youtube.com /watch?v=SHZwIGoGvJ0, ab 1:16:35h). Elsässers Unterscheidung zwischen greifbar, also einem „angreifbaren Feind auf dem eigenen Territorium und dem verborgenen, einstweilen unerreichbaren Hauptschuldigen USA, trägt deutliche Züge der schmittschen Unterscheidung zwischen wirklicher und absoluter Feindschaft“ (WEISS, Volker, Die Autoritäre Revolte, 220). Der Philosoph Volker Weiß beschreibt diesen antisemitischen Zusammenhang: Die als jüdisch imaginierte USA wird als absoluter Feind und Hauptschuldige der „moralischen Vernichtung der eigenen Kultur“ 1945 dargestellt (ebd., 211). Dieser absolute Feind, der nicht eine fremde Identität (wie muslimisch), sondern die völlige Negation von Identität bedeutet, kann nach Carl Schmitt, nicht besiegt oder unterworfen, sondern nur vernichtet werden (Vgl. ebd., 211-227). Schlussfolgernd bleibt die (potentielle) Grausamkeit und die Orientierung an der Mobilisierungsfähigkeit für das Verstehen von Rechtspopulismus wichtig.
6 Benoist übernahm den vom Marxisten Antonio Gramsci geprägten Begriff der kulturellen Hegemonie. Wie andere linke politische Methoden wurde er auch hier rein als Schlagwort aus dem Kontext seiner materialistischen Theorie herausgerissen. Vgl. WEISS, Die Autoritäre Revolte, 54ff.
7 Vgl. die Auszüge aus dem Papier in dem Artikel von THOMAS LEIF und PATRICK GENSING vom 23.01.2017
„AfD-Strategiepapier Provokation statt Problemlösung“, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/afd-strategiepapier-101.html.
8 Das aggressive Vorgehen gegen politische Gegner zeigt sich beim Gebrauch des Begriffs ‚linksversifft‘. „Mit diesem Ausdruck [wird]
zumindest unterschwellig auf die Geschlechtskrankheit Syphilis angespielt. […] Mittels der Krankheitsmetapher wird eine extreme Abwertung, bzw. sogar Dehumanisierung des politischen Gegners bezweckt.“ (THOMAS NIER, Rechtspopulistische Lexik und die Grenzen des Sagbaren, abrufbar unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240831/rechtspo
pulistische-lexik-und-die-grenzen-des-sagbaren). Zum Begriff „Lügenpresse“: Er „diente den Nationalsozialisten zur
pauschalen Abqualifizierung unabhängiger Presseorgane“ (vgl. ebd.). Zum Begriff „völkisch“: Scheinbar naiv fordert Frauke Petry, das Wort „völkisch“ wieder salonfähig zu machen. Vgl. BEAT BALZLI, MATTHIAS KAMANN, vom 11.09.2016, „Petry will den Begriff ‚völkisch‘ positiv besetzen“, abrufbar unter: https://www.welt.de/politik/deutschland/article158049092/Petry-will-den-
Begriff-voelkisch-positiv-besetzen.html
9 Vgl. BRITTA SCHELLENBERG, Rechtspopulismus im europäischen Vergleich – Kernelemente und Unterschiede, abrufbar unter:
http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240093/rechtspopulismus-im-europaeischen-vergleich-kernelemente-und-unterschiede
10 Vgl. LACLAU, Populist Reason, 69.11 HEITMEYER/KLEIN, Demokratie auf dem rechten Weg?, 88.12 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-alexander-gauland-siehtfluechtlingskrise-
als-geschenk-a-1067356.html13 Vgl. a.a.O., 90. Mir bleibt allerdings unklar, wieso Sexismus, Trans- und Homofeindlichkeit nicht dazu gehören sollten. Das Gegenteil wird im Artikel auch nicht argumentiert.14 A.a.O., 94.
15 Vgl. HEITMEYER/MANSEL/SCHAEFER, Rechtspopulistisches Potential, 123-135.
16 Diese zeigt Andrea Röpke für Brandenburg auf in „Droht eine neue Welle rechter Gewalt?“, in: KLEFFNER/SPANGENBERG [HG.], Generation Hoyerswerder,236-250.
17 KLEFFNER/SPANGENBERG, Generation Hoyerswerder, 13.
18 RÖPKE, Droht eine neue Welle rechter Gewalt?, 237.
19 Vgl. RÖPKE, Droht eine neue Welle rechter Gewalt?, 248.
20 A.a.O., 45.
21 So Andreas Zick in einem Interview zum Attentat auf Henriette Reker 2015, in: www.fr.de/politik/attentat-auf-henriette-reker-die-tat-ist-eineideologische-botschaft-a-430550.
22 KÜPPER/ZICK, Religiösität und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, 54.
23 Die Leipziger, sogenannten „Mitte-Studien“ untersuchen seit 2002 autoritäre und rechtsextreme Einstellungen und stellen (auch aufgrund ihrer breiten Rechtsextremismusdefinition) eine enthemmte Mitte fest. Der Titel „Deutsche Zustände“ bezieht sich programmatisch auf Heinrich Heines Berichterstattungen in der Augsburger Allgemeinen Zeitung über die ‚Französischen Zustände‘. In seinem Vorwort schrieb Heine, er wolle durch die gesellschaftspolitische Analyse verhindern, dass „die Völker sich nicht mehr von den Lohnschreibern der Aristokratie zu Haß und Krieg verhetzen“ lassen (HEITMEYER, Erfahrungen, 328.).
24 Ebenso die Einschätzung von FABER/UNGER, Populismus, 7.
25 Vgl. HEITMEYER, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, 18.
26 So stellte schon der Vorurteilswisschenschaftler Gordon Allport fest: „One of the facts of which we are most certain is that people who reject one outgroup will tend to reject other out-groups. If a person is anti-Jewish, he is likely to be anti-Catholic, anti-Negro, anti any out-group“ (ALLPORT, Nature of Prejudice, 68.).
27 HEITMEYER, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in einem entsicherten Jahrzehnt, 16.
28 Vgl. zum gesamten Absatz a.a.O., 15-41.
29 Für Berlin 2016 meldet die Opferberatung reachOut einen neuen Höchststand an rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Gewalttaten. „Mindestens 553 Menschen (2015: 412 Menschen) wurden verletzt, gejagt und massiv bedroht, darunter 45 Kinder.“ (Pressemitteilung von reachOut vom 16.03.2017, abrufbar unter: https://www.reachoutberlin.de/de/content/pressemitteilung-zu-denangriffen-berlin-2016.). Die Berliner Polizei zählte 2016 162 homo- und transfeindlichen Straftaten – 44 mehr als im Vorjahr. Maneo zählte 291 Übergriffe und Gewalttaten (vgl. Meldung des RBB vom 16.05.2017, Homo- und transfeindliche Straftaten erreichen neuen Rekord, abrufbar unter: https://www.rbb-online.de/panorama/beitrag/2017/05/homophobetransphobe-straftaten-berlin.html.).

2.2. Empirische Befunde zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit unter Kirchenmitgliedern

Überschneidungen von organisiertem Rechtspopulismus zur Kirche gibt es v.a. personelle: Einige dieser Fälle werden medial skandalisiert und führen zu Ausschlüssen, andere toleriert.30 Die Verstrickungen liegen m.E. jedoch tiefer, nämlich in den  Einstellungen, begründet. Die Ergebnisse der „Mitte“-Studien des Leipziger Forschungsteams um Oliver Decker und Elmar Brähler weisen für alle sechs Dimensionen rechtsextremer Einstellungen (es handelt sich hier um eine breite Rechtsextremismusdefinition, als deren Kern jedoch auch die Annahme der Ungleichwertigkeit von Menschen gilt) bei Kirchenmitgliedern höhere Werte auf als bei Konfessionslosen. Zwar seien die Werte bezüglich Ausländerfeindlichkeit geringer, doch bezüglich Antisemitismus und Islamfeindlichkeit höher.31 In eine ähnliche Richtung weisen die Bielefelder Untersuchungen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Die folgenden Befunde beziehen sich neben den „Deutschen Zuständen“ (2011) auf „Fragile Mitte – Feindselige Zustände“ (2014) und das europaweite Projekt „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Europa“ (2008). Sie belegen deutlich einen „besonders eindeutigen, negativen Einfluss von Religion und Religiosität auf die Einstellungen gegenüber Frauen und nicht-heterosexuellen Menschen“.32 Etwas weniger deutlich ist der Einfluss der Religion auf Rassismus. „Zu Antisemitismus, Abwertung von Muslimen, von Menschen mit Behinderung finden sich in der GMF-Studie kaum Unterschiede […] in Abhängigkeit zur Religion[…]. Einzig in Bezug auf die Abwertung von Sinti und Roma, asylsuchenden und langzeitarbeitslosen Menschen finden sich Zusammenhänge in umgekehrter Richtung hin zu etwas positiveren Einstellungen bei Christen.“33

Von Bedeutung in Bezug auf die Vorurteilsneigung ist die Art und Weise der individuellen Religiösität. Die Soziologin Beate Küpper und der Leiter für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bieldefeld Andreas Zick unterscheiden vier Dimensionen persönlicher Religiösität: „Erstens fundamentalistische, die von der Überlegenheit ihrer Religion ausgehen, zweitens eine intrinsische Religiösität, gelebt um ihrer selbst willen (erfasst u.a. über die Häufigkeit des Betens). [Drittens] eine extrinsische Religiösität, die als Mittel zum Zweck diene, v.a. um über Konformität persönliche Sicherheit und sozialen Status zu gewinnen. Zuletzt noch die Dimension einer Sinn-suchenden Religiösität.“34 Fundamentalistisch überzeugte Menschen neigen deutlich zu mehr
Vorurteilen. Eine extrinsische Überzeugung steht ebenso mit einer größeren Vorurteilsneigung in Zusammenhang: Häufiger Kirchenbesuch entspricht laut den Studien mehr Vorurteilen. Intrinsisch Religiöse scheinen toleranter zu sein, da sie offenen Vorurteilen seltener zustimmen, dagegen aber subtileren Formen ebenso zustimmen wie Extrinsische. Sie erscheinen weniger vorurteilsbelasteter, ohne sich aber selbstkritisch mit diesen auseinandergesetzt zu haben.35 Die offene Abwertung steigt in Bezug auf die Gruppen, zu denen die jeweilige Kirchenleitung keine klare Position hinsichtlich der Gleichwertigkeit vertritt oder sogar explizit abwertet (z.B. queere Menschen, Frauen und Andersgläubige). Handelt die Kirchenleitung anders, ächtet z.B. Rassismus und solidarisiert sich mit den Opfern, hat dies die Wirkung auf v.a. extrinsisch religiöse Kirchenmitglieder, weniger offen rassistisch zu sein.36 Hier zeigt sich die Bedeutung des kirchlichen Kontextes, der mitbestimmt, was legitim ist und was geächtet wird. Sinn-suchend orientierte Menschen sind weniger vorurteilsbelastet. Allerdings könnte dies auch mit anderen Faktoren, wie Bildung, zusammenhängen.37

Die Studien bestätigen die These des Vorurteilsforschers Gordon Allport: „Religion makes and unmakes prejudice.“38 Obwohl das Doppelgebot der Liebe höchsten Stellenwert hat, ist die Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit unter Christ*innen nicht geringer. Im Gegenteil haben Kirchenmitglieder mehr Vorurteile im Hinblick auf Sexismus, Homofeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus. Ein Zusammenhang zwischen Konfessionszugehörigkeit allein und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit kann jedoch nicht eindeutig belegt werden. Allein Konfessionslose mit Kirchenmitgliedern zu vergleichen kann zu falschen Schlussfolgerungen führen, denn die Unterschiede könnten auch auf andere Faktoren zurückgeführt werden wie Alter, Bildungsniveau usw. Die Feindseligkeiten liegen eher in der Art und Weise ihrer Religiösität begründet und haben weitere, vielfältige Ursachen. Thesen zu den Ursachen aufzuzeigen, soll der nächste Schritt sein.

30 THIELEMANN beschreibt eine Skandalisierung in seinem Artikel „AfD oder Kirchenvorstand“, passim.
31 Vgl. DECKER/BRÄHLER/KIESS u.a., Die Mitte im Umbruch, 94.
32 KÜPPER/ZICK, Religiösität und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, 57.
33 A.a.O., 58.
34 A.a.O., 55.
35 Vgl. A.a.O., 56.
36 A.a.O., 60.
37 Ebd.
38 ALLPORT, Prejudice, 444.

2.3. Erklärungsansätze

Wodurch entsteht gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit? Wie sind die Feindseligkeiten unter Kirchenmitgliedern zu erklären? Diesen Fragen wird im Kommenden ausführlicher nachgegangen. Dazu werde ich verschiedene Erklärungsansätze aufzeigen. Sie nehmen den Wirkungszusammenhang von Makrostruktur und individueller Reaktion in den Blick. Relevant sind sie, da sie auf  Hinweise schließen lassen, wie in der Gemeinde Prävention gelingen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegengewirkt werden kann. Mein Ziel mit diesem Abschnitt ist es, die Vielfalt der Erklärungsansätze aufzuzeigen, um ein Koordinatensystem zu erstellen. Dieses dient dem Qualitätsmanagement pastoralen Handelns insofern, als dass überprüft werden kann, welches präventive Handeln welchem Erklärungsansatz entspricht und ob die jeweilige Ursache in dem Kontext überhaupt vorliegt. Zudem soll verhindert werden, bestimmte Ursachen und ihre Folgen für die Prävention aus dem Blick zu verlieren.

Die soziale Identitätstheorie geht davon aus, dass Individuen danach streben, eine positive soziale Identität zu haben und das durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe erreichen zu wollen. Der Kulturwissenschaftler Stuart Hall geht davon aus, dass der Mensch zur Orientierung in der Welt Typisierungen brauche.39 Menschen werden Rollen und Gruppen zugeordnet, was bedeutet, dass einige wenige Eigenschaften hervorgehoben werden, um einen ‚Typ‘ erfassen zu können. Typisierungen grenzt Hall allerdings von Stereotypisierungen ab. Letztere „reduzieren die gesamte Person auf diese Eigenschaften, übertreiben und vereinfachen sie und schreiben sie ohne Wechsel oder Entwicklung für die Ewigkeit fest. […] „Stereotypisierung reduziert, essentialisiert, naturalisiert und fixiert ,Differenz‘.“40 Die  Selbstwertsteigerung durch Stereotypisierung geschieht nun durch Abwertung der anderen Gruppe und die Delegation eigener Makel auf sie. Dieser Konstruktionsprozess zeigt: Identität besteht nicht aus einer gottgegebenen Essenz. Vielmehr entsteht sie im Tun, sie entsteht in der Repräsentation.41 Die Identität der Gruppe ist nun eng mit der Verteilung von Ressourcen, Macht und Teilhabe verknüpft, die favorisiert nur in der eigenen Gruppe geteilt werden.42 Verfügt nun die „Wir“-Gruppe über eine gewisse Diskurshoheit, gestaltet sie die gesellschaftliche Realität mit. Ihre Stereotypen werden zu machtvollen Praxen, „die die Handlungs- und Selbstverständnismöglichkeiten von Menschen einschränken“43 und Macht bzw. vielmehr Ohnmacht verteilen. Diese privilegierte Position wird durch die Abwertung „der Anderen“ bzw. durch die Annahme ihrer Ungleichwertigkeit legitimiert. Diese „Herrschaft wandert in die Menschen ein“, so der Philosoph Theodor Adorno.44 Und der Bürgerrechtler Malcom X beschreibt eine Folge: „Das schlimmste Verbrechen, das der weiße Mann begangen hat ist, daß er uns gelehrt hat, uns selbst zu hassen.“45
Stärke der sozialen Identitätstheorie ist es, zu zeigen, wie fundamental die Konstruktion des Anderen für die eigene Identitätskonstruktion ist. Auch christliche Identität entsteht immer wieder neu durch die Markierung von Differenz und von Ausgrenzung. Mit der christlichen Identität sind die potentiell menschenfeindlichen Erzählungen vom Anderen tief verwoben. Dies erklärt auch die hohe Emotionalität (z.B. aggressive Abwehr, Scham oder Schuld), wenn z.B. Verhalten als homophob benannt wird, denn es trifft das Bild von einer*einem selbst.

Beispielhaft möchte ich nun eine menschenfeindliche, theologische Erzählung und kirchliche Praktik der Benachteiligung und Ausgrenzung beschreiben. Eigentlich müsste dies für die drei unter Kirchenmitgliedern häufig vertretenden Elemente Heterosexismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit skizziert werden. Doch sprengt das den Rahmen der Arbeit, so dass ich mich exemplarisch allein christlich begründeter Homofeindlichkeit widme.46
Ein Bezugspunkt dieser Erzählung ist das wortwörtliche Bibelverständnis. Ohne Berücksichtigung des historischen Kontextes werden Zitate aus dem Zusammenhang gerissen und zitiert. Und ja, „die wenigen Bibelstellen, die sich zu Homosexualität äußern, [tun] dies ausschließlich negativ“.47
Zweiter Bezugspunkt ist die Verknüpfung von gleichgeschlechtlicher Sexualität mit kultischer Unreinheit durch Verweis auf das Prinzip kultischer Reinheit im Buch Levitikus.
Drittens wird nicht nur in den apokryphen Henochbüchern gleichgeschlechtliche Sexualität „als Symptom für das bevorstehende Strafgericht Gottes angesehen“.48 So erklärten Christ*innen die Anschläge vom 11. September 2001 damit, dass „die US-amerikanische Bevölkerung verhasste Phänomene wie Feminismus und Homosexualität nie klar abgelehnt hätte“.49
Viertens wird mit Thomas von Aquin jede Sexualität, die nicht auf Fortpflanzung ausgelegt ist, als widernatürlich bezeichnet.50
Fünftens begründet die Komplementaritätsthese sexistische, trans- und homofeindliche Einstellungen.51 Nach ihr gebe es nur zwei Geschlechter, Mann und Frau, die von Natur aus verschieden seien. Der Mann wird der Frau übergeordnet. Nur die Ehe als Einheit von Mann und Frau stellt die schöpfungsgemäße Ergänzung dar. Demgegenüber seien gleichgeschlechtliche Partnerschaften defizitär und schöpfungswidrig. Die Vormachtstellung heterosexueller Ehe und Familie vor anderen Lebensformen wird mit ihrer Fortpflanzungsfähigkeit begründet.

Selbstverständlich gibt es auch in lesbisch und schwulen Partnerschaften Kinder, doch wird dies ausgeblendet. Diesem Begründungszusammenhang folgt auch die Lebensordnung der Pfarrer*innen der Evangelischen Kirche der Union. Andere Lebensweisen werden zwar als Realität anerkannt und ihre Diskriminierung untersagt. So heißt es: „Menschen, die nicht in traditionellen Partnerschaftsformen leben, dürfen keine Abwertung oder Diskriminierung erfahren.“52 Doch wird eindeutig die heterosexuelle Ehe privilegiert, wenn sie als „Leitbild“ bezeichnet wird.53 Das ist mindestens widersprüchlich, da die fehlende Gleichstellung schon allein eine Diskriminierung bedeutet. Zu diesem verweigern einige Landeskirchen noch immer die kirchliche Trauung von homosexuellen Paaren. Es sind solche Erzählungen und Praktiken, die den abgewerteten „Schwulen“ hervorbringen, während das Eigene (als Heterosexuelle) zwar unbenannt bleibt, aber mit Reinheit, Lebensförderlichkeit und gottgemäßem Leben verknüpft wird. Solch Glaube und Kirche fördern homofeindliche Einstellungen.

Ein zweiter Erklärungsansatz ist die Begegnungsthese. Ihr Kern ist die Annahme, dass Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen abnehmen, wenn es ausreichend viele Begegnungssituationen mit Menschen aus diesen gibt.54 Vorurteile könnten durch Begegnung revidiert werden, was zu einer positiveren Einstellung führen kann. Allerdings kommt es sehr auf die Art dieser an, denn Begegnungen können die feindlichen Einstellungen auch vertiefen. Statt Selbst- und Fremdzuschreibungen kritisch zu bearbeiten und zu verflüssigen, verfestigen sich die Bilder. Die Migrationspädagog*innen Annita Kalpaka und Paul Mecheril stellen an der präventiven Praxis, die auf dieser These beruht, kritisch fest, dass auf Definitionsebene zwar klar sei, dass Kultur oder Religion heterogen seien und die Individuen nicht determiniere. Doch „sobald die Auseinandersetzung sich entlang von Beispielen, Übungen und Aufgaben auf interkulturelles Handeln und dessen Reflexion bezieht, ist der Spielraum verschlossen“.55 Zudem bestehe aus dem sozialen Umfeld häufig ein Erwartungsdruck, dass in der „persönlichen Begegnung Ungewöhnliches und Neues passiert. Dies fördert Exotisierung der
Erfahrung“.56 Sollen durch Begegnungen Vorurteile abgebaut werden, muss es möglich sein, Zuschreibungen und Festlegungen effektiv aufzulösen, um einander gleichberechtigt zu begegnen. Damit wird die (Selbst-)Reflexion der eigenen Bilder vom Selbst/Anderen und die daraus folgenden Verhaltensmuster notwendig. Kalpaka/Mecheril gehen von dieser Dekonstruktion der Bilder weiter und machen die bleibende Differenz oder das Nicht-Wissen vom Anderen, das Nicht-Verstehen als Ausgangspunkt einer nicht-vereinnahmenden Begegnung stark (vgl. 3.3).57

Gelingende Prävention bedarf der (selbst-)reflexiven Vor- und Nachbereitung der Begegnung. Zudem sollten die Begegnungen häufig und freiwillig sein. Vorurteil-reduzierende Wirkung haben des Weiteren Begegnungen zwischen Menschen ähnlicher Klassenzugehörigkeit oder ähnlichen Status und wenn eine angenehme Atmosphäre besteht, in der keine Konkurrenzsituation vorliegt, sondern womöglich an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet wird.58 Drittens wird die Zunahme gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit durch die Modernisierung begünstigt, so die Modernisierungsthese. Herausforderung der Moderne ist es, mit einer Pluralität von Weltdeutungen und Lebensstilen umgehen zu können. Die steigende Individualisierung und die Enttraditionalisierung der Lebensformen kann zu Verunsicherung und Richtungslosigkeit führen, so Heitmeyer.59 Kommt Desintegration (z.B. die Erfahrung politisch wirkungslos zu sein) dazu, begünstigt das die Entstehung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Denn die Annahme der eigenen Überlegenheit stellt ein Angebot für die Anerkennungsdefizite dar und bietet eindeutige, vermeintlich stabile Kategorien, wie Nation, Religion und Geschlecht. Ähnlich erklären Küpper/Zick die höheren Befunde von Sexismus, Homofeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus unter Kirchenmitgliedern, besonders aber unter fundamentalistischen Christ*innen. Sie streben stärker nach Eindeutigkeit, tendieren eher zum Dualismus, Autoritarismus (der eng mit fundamentalistischen Überzeugungen zusammenhängt) und halten Konventionen hoch.60
An der These scheint mir die tendenziell negative Bewertung von Pluralismus als gefährlich unangebracht. So kann dieser die individuelle Freiheit stärken und die Fähigkeit zur Ambiguität fördern, also dazu führen, Uneindeutigkeiten und Widersprüche  besser auszuhalten. Eine weitere Erklärung bietet die Deprivationstheorie. Deprivation, also tatsächliche oder auch wahrgenommene Benachteiligung und Bedrohung, verstärkt gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Dies ist empirisch im Zusammenhang mit der Finanzkrise und der Arbeitsmarktverschärfung im Herbst 2008 nachgewiesen. Diese Entwicklung führte zu einem signifikanten Anstieg gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in bürgerlichen Kreisen.61 Das Phänomen beschreibt Heitmeyer als „rohe Bürgerlichkeit, die sich bei der Beurteilung sozialer Gruppen an den Maßstäben der kapitalistischen Nützlichkeit, der Verwertbarkeit und Effizienz orientiert und somit die Gleichwertigkeit von Menschen sowie ihre psychische wie physische Integrität antastbar macht  und dabei zugleich einen Klassenkampf von oben inszeniert.“62 Bedrohung nun bedarf keinesfalls immer einer faktischen Lage, sondern ist auch eine Frage der Wahrnehmung. Damit lässt sich Angst für menschenfeindliche Agitation nutzbar machen. So wurde nachgewiesen, dass die Normalisierung extrem rechter Strukturen der NPD vor Ort ihnen gezieltes Wecken von Ängsten ermöglichte und die fremdenfeindlichen Einstellungen der Ortsbevölkerung anstiegen.63 Für die Prävention heißt es, solidarische Netze zu stärken und sich gegen die Normalisierung extrem Rechter und rechtspopulistischer Strukturen einzusetzen. Zudem ist Folgendes deutlich zu machen: Auch wenn die (geweckten) „Belange und Nöte der Bürger“ wahrzunehmen sind, ist die Angst vor Macht- und Privilegienverlust nicht gleichzustellen mit existentiellen Ängsten um Arbeit, Wohnung und Leben.

Ein weiterer Erklärungsansatz ist der, dass Religion vom Rechtspopulismus instrumentalisiert werden kann, z.B. mit der Inszenierung einer Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den Islam. In der Instrumentalisierungsthese sind Religionen für gewaltvolle, politische Zwecke missbrauchbar, sind aber nicht per se Gewaltverursacher. Statt „Brandverursacher“ sind sie eher „Brandbeschleuniger“, so die Friedens- und Konfliktforscher Andreas Hasenclever und Alexander De Juan.64 Viele Kriege zeigen das große Reservoir an Mobilisierungs- und Legitimierungsressourcen, das Religionen bereitstellen können. Doch können Religionen auch eine Instrumentalisierungsresistenz entwickeln und ihr friedensstiftendes Potential einbringen.65 Hasenclever/De Juan stellen dazu vier Strategien vor. Sie sollen in ihrem Zusammenhang schon hier vorgestellt werden und nicht erst nach den pastoralen Handlungsfeldern aufgeteilt unter 3. Möglichkeiten pastoralen Handelns in der Gemeinde. Eine Strategie ist die Förderung religiöser Bildung. Ein Ziel dieser Bildung sollte das Bewusstwerden der Mehrdeutigkeiten innerhalb der eigenen und der fremden religiösen Traditionen sein. „Sind die Gläubigen […] sich der Komplexität und Interpretationsbedürftigkeit ihrer Inhalte bewusst, sind sie in der Lage, selektive, radikale Auslegungen gewaltbereiter Eliten infrage zu stellen und mit Alternativen aufzuwarten.“66

Die zweite Strategie ist die Förderung „struktureller Toleranz“.67 Damit meinen Hasenclever/De Juan die Institutionalisierung toleranter bzw. friedensstiftender Deutungen z.B. durch ihre Einführung in Liturgie und Ausbildung der Geistlichen. Ein Beispiel für die Institutionalisierung bietet die erneuerte Agende. So ist mittlerweile eines der „maßgeblichen Kriterien“ zum Gestalten von Gottesdiensten, dass „die Christenheit […] bleibend mit Israel als dem erstberufenen Gottesvolk verbunden ist“.68 Damit reduziert sich die Flexibilität religiöser Inhalte und „eine inhaltliche Kehrtwende wird erschwert“.69

Die dritte Strategie besteht in der Förderung des Autonomiepotentials gegenüber Staat und Gesellschaft. Verfügen Religionsgemeinschaften über eigene Finanzquellen und Institutionen, sind sie unabhängiger von der Instrumentalisierung durch Staat und gesellschaftliche Akteur*innen. So verringert sich z.B. „die Gefahr, dass sich ihre Führer zur Legitimierung staatlicher Gewaltpolitik einspannen lassen, um das institutionelle Überleben ihrer Gemeinschaften zu sichern“.70 Maßgeblich ist allerdings nicht die Autonomie, sondern das Autonomiepotential, auf das zurückgegriffen werden kann, wenn es Not tut.

Die vierte Strategie ist die Stärkung einer diversifizierten, „innerreligiösen Öffentlichkeit“, die eine Monopolisierung von Deutung verhindert. Die Gläubigen sollten Zugang zu alternativen Deutungen haben durch z.B. transnationale Vernetzung und kritische Medien, die die Meinungsvielfalt widerspiegeln. Zusammenfassend sind auf die potentiell menschenfeindlichen wie menschenfreundlichen Legitimierungs- und Mobilisierungsressourcen von Religion hinzuweisen. Letztendlich ist aber klarzustellen: Gefährlichkeit ist nicht die einzige Eigenschaft von Religion. Auch wenn es unangebracht ist, Religionen auf ihre soziale Nützlichkeit (oder Gefährlichkeit) zu reduzieren, bieten ihre Traditionen auch menschenfreundliche Erzählungen. Diese gilt es zu stärken. Ich hoffe ein Koordinatensystem erstellt zu haben, in dem verschiedene Erklärungen mit z.T. impliziten Hinweisen für die Prävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufgezeigt wurden. Die Berechtigung der vielen Erklärungsansätze und ihre Interdependenzen untereinander verweisen darauf, dass es meist ein Zusammenspiel verschiedener Aspekte ist, das zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit führt. Das bedeutet, dass es entsprechend der vielfältigen Erklärungen eine Breite an Ansatzpunkten für Gegenmaßnahmen bedarf.

39 HALL, Das Spektakel, 143.
40 A.a.O., 144.
41 Vgl. DERS., Introduction, 4.
42 „Empirische Grundlage für die Entwicklung der SIT [social identity theory] waren Tajfels Analysen zu Stereotypen und Vorurteilen (z.B. 1978) und sog. ‚minimal-group-Experimente‘ (z.B. 1970). In diesen Experimenten werden untereinander unbekannte Versuchspersonen in Gruppen eingeteilt. Sie werden dann gebeten, bestimmte Geldbeträge zwischen zwei Personen zu verteilen. Ihnen ist dabei lediglich bekannt, dass eine der beiden Personen derselben Gruppe (in-group, dt.: Eigengruppe) angehört, die andere jedoch nicht (out-group, dt.: Fremdgruppe). Das Ergebnis ist in der Regel: Individuen favorisieren Mitglieder der Eigengruppe, d.h. der zu verteilende Geldbetrag wird nicht zu gleichen Teilen zwischen den Personen verteilt, sondern zu einem größeren Anteil innerhalb der eigenen Gruppe.“ (FRÖHLICH/GANSER/KÖHLER, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern, 12.) Beispiele für die zu teilenden Ressourcen einer Gemeinde sind z.B. die oft an ärmere Diasporagemeinden vermieteten (statt ökumenisch gratis geteilten) Kirchengebäude, die Gemeindeleitung (Gemeindekirchenrat) und die in der Kollekte gesammelten Gelder für Diakonie, die oft genug nur eigenen Gemeindegliedern zu Gute kommen.
43 KALPAKA/MECHERIL, Interkulturell, 84.
44 ADORNO, Reflexionen zur Klassentheorie, 149.
45 Zu Malcom X: Leider gibt James Cone keine Quelle an. Das Zitat stammt aus: CONE, Schwarze Theologie, 1971, 27.
46 Eine gute Darstellung der Begründungszusammenhänge von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit ist hier zu finden: KELLENBACH, Altes Gift, passim.
47 SÖDERBLOM, Homophobie, 231.
48 Ebd.
49 A.a.O., 232.
50 A.a.O., 233.
51 Vgl. KARLE, Liebe in der Moderne, 128f.
52 Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union in der Fassung vom 5. Juni 1999.
53 Ebd.
54 Vgl. FRÖHLICH/GANSER/KÖHLER, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern, 14f.
55 KALPAKA/MECHERIL, Interkulturell, 85.
56 STEINWACHS, LUISE, Arm, aber glücklich, Berlin 2012, 4 (abrufbar unter: http://www.berlinpostkolonial.de/cms/images/dokumente/partnerschaftentwickleln/steinwachs_2012_zitat_arm_aber_gluecklich_schuelerbegegnungen.pdf). 14
57 Vgl. KALPAKA/MECHERIL, Interkulturell, 97.
58 Vgl. FRÖHLICH/GANSER/KÖHLER, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern, 14f.
59 HEITMEYER, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in einem entsicherten Jahrzehnt, 18.
60 Vgl. KÜPPER/ZICK, Religiösität und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, 59.
61 Vgl. a.a.O., 26.
62 A.a.O., 35.
63 Vgl. GRAU/LEGGE/MARTH, Der lokale Kontext, 69.
64 Andreas HASENCLEVER/Alexander DE JUAN: Religionen in Konflikten – eine Herausforderung für die Friedenspolitik, abrufbar unter: http://www.bpb.de/apuz/30671/religionen-in-konflikten-eineherausforderung-fuer-die-friedenspolitik?p=all
65 Vgl. SCHIEDER, Sind Religionen gefährlich?, 89ff.
66 HASENCLEVER/DE JUAN, ebd.
67 Ebd. Toleranz definieren sie hier leider nicht. Da Toleranz eher Duldung statt Anerkennung bedeutet, scheint mir „strukturelle Friedensstiftung“ angemessener auch in ihrem Sinne, so ich sie Recht verstehe.
68 Vgl. EGb, 16.
69 HASENCLEVER/DE JUAN, ebd.
70 Ebd.

2.4. Systematisch-theologische Überlegungen

Wie sind gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und rechtspopulistische Einstellungen und Praxen theologisch zu verstehen und was folgt aus dieser Deutung? Angesichts der Zunahme an Diskursen der Ungleichwertigkeit bzw. der Überlegenheit ist die Gottesebenbildlichkeit aller Menschen stark zu machen. „Vor Gott sind alle Menschen gleich“ titelt denn auch eine rassismuskritische Broschüre für den kirchlichen Raum.71 Doch die Realität sieht anders aus. Diese Diskrepanz möchte ich im Folgenden als Folge von Sünde deuten.

Sünde bezeichnet einen „Bruch des Gottesverhältnisses durch den Menschen“72. Dieser korrespondiert „die Verfehlung und Zerstörung der Beziehungen des Menschen zu sich selbst, zu anderen Menschen und zu Welt, in welcher jeder Mensch Gottes Geschöpf ist“.73 Gottes Ehre nun bzw. seine*ihre Ehre in uns als Gottesebenbilder ist keineswegs unstrittig. Alltäglich wird diese göttliche Ehre in den Menschen infrage gestellt und beschädigt – auch durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und die Annahme der Ungleichwertigkeit von Menschen. Die Bezeichnung dessen als Sünde deutet nun nicht nur diese Erfahrung der Infragestellung, sondern protestiert gegen sie. Sie widerspricht auch ihren kleinen Gesten, dem Übersehen, Dulden, dem Von-ihr- profitieren. Das als Sünde zu bekennen und Wege der Umkehr zu gehen, indem Widerspruch erhoben und Widerstand geübt wird, ist  keineswegs selbstverständlich.74 Lange ist z.B. „die Deutung von Sünde als Autonomie und Selbstbewusstsein vor Gott gezielt frauenfeindlich benutzt worden, indem Emanzipationsstreben von Frauen als solche Sünde diskriminiert wurde“.75 Worauf die Bielefelder- und die Mitte-Studien verweisen, spitzt die Rede von der Sünde zu, indem sie auf die Tragweite der Sünde verweist: Alle Menschen, selbstverständlich auch die Christ*innen, haben Anteil an dem Bösen der Sünde. Keine*r ist frei von diesen mächtigen Praxen der Feindlichkeiten. Allerdings ist es sinnvoll, Sünde nun zu differenzieren. Ähnlich wie die Erklärungsansätze (2.3) unterscheidet auch die Sündenlehre zwischen Individuum und Makrostruktur, zwischen individueller Tatsünde und (struktureller) Grundsünde.76 „Der Akt des Sündigens hat ein für diese Tat verantwortliches Subjekt.“77 Das heißt nicht, dass Menschen aufgrund der sündigen Tat ihre Gottesebenbildlichkeit verlieren.78 Damit sehe ich die Aussage der Aktivistin Noah Sow kritisch: „Weiße Menschen verlieren ihre Würde, wenn sie Rassismus ausüben oder geschehen lassen.“79 Statt auf eine Infragestellung der Würde zielt die Rede von der sündigen Tat auf ein Sündenbekenntnis, die Bitte um Vergebung und Umkehr. Doch Sünde ist immer auch eine Macht, der der Mensch unterworfen ist.80 Sünde als Verstrickung in strukturelle Ungerechtigkeit zeigt sich in eben diesen kleinen, alltäglichen Gesten, dem Übersehen, Dulden und dem Von-ihrprofitieren. Die Macht der Sünde und die Schwierigkeit sich aus diesen Verstrickungen zu lösen heißt nicht, dass der Mensch schuldunfähig ist bzw. dass ihr*sein Verhalten zu entschuldigen ist. Es bedeutet die Erlösungs- und Befreiungsbedürftigkeit durch den erneuernden Geist anzuerkennen. Seine*ihre erlösende Wandlung und die befreiende Tilgung durch die Vergebung Gottes ermöglichen den alltäglichen Versuch der Umkehr. Auf diesem Weg, der angesichts der Mächtigkeit der Sünde erst im Gehen entsteht (vgl. das „fragend Voranschreiten“ der Zapatistas), werden wir notwendig auch  immer wieder scheitern.81 Es ist eine „echte Herausforderung, bei der auch meine Zusammenarbeit mit denjenigen, die von Rassismus als dessen Opfer betroffen sind, immer wieder in Frage gestellt werden wird. Es geht nicht allein um andere – es geht auch um meine eigene Befreiung aus diesen Strukturen“.82

Das Scheitern muss nicht tabuisiert werden, sondern hat Platz in der christlichen Rede vom Menschen. Dafür macht der Praktische Theologe Henning Luther den Begriff des Fragments fruchtbar. Mit Fragment ist zum einen die Ruine, die Überreste eines zerstörten Ganzen, gemeint. „Wir sind […] Fragmente zerbrochener Hoffnungen, verronnener Lebenswünsche, verworfener Möglichkeiten, vertaner und verspielter Chancen. Wir sind Ruinen aufgrund unseres Versagens und unserer Schuld ebenso wie aufgrund zugefügter Verletzungen und erlittener und widerfahrener Verluste und Niederlagen. Dies ist der Schmerz des Fragments.“83 Andererseits bezeichnet das Fragment auch das unvollendet gebliebene Werk. Zwar ist es unvollendet, doch ist, so Wolfhart Pannenberg, „im
Fragment das Ganze schon anwesend“ (vgl. die Gottesebenbildlichkeit: Gott ist gleichzeitig ab- als auch anwesend im Menschen).84 Damit ist das Fragment auf Zukunft aus, ist sehnsüchtig, geht über sich selbst hinaus. Angewiesen auf Vollendung geht von ihm „eine Bewegung der Unruhe aus“85 – hin zum Anderen und zu Gott. Damit versteht Luther entsprechenden dem „iustus et peccator“ den Menschen als Bruchstück und gleichzeitig als Zeugen dieser Angewiesenheit. Theologisch reicht es nicht aus, die Bilder vom Selbst und vom Anderen zu dekonstruieren, um gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken (vgl. Kontaktthese und soziale Identitätsthese). Es gilt, die Bilder, die von Gott gemacht werden, hinzuzufügen. Denn: „The symbol of God functions.“86 Ebenso mächtig wie die Bilder von mir selbst und den Anderen sind die von Gott. Sie haben Konsequenzen für den zwischenmenschlichen Umgang und den mit der Schöpfung. Zum einen wird und wurde das Göttliche mit Männlichkeit und Weißsein verbunden und rechtfertigte so patriarchale und weiße Vorherrschaft. Zum anderen kann die lange Tradition menschlicher Liebe zu diesem unbegreiflich anderen Gott eine Quelle sein, die zwischenmenschlichen Beziehungen zu überdenken und zu verändern.

Dem möchte ich mithilfe der postkolonialen Theologie Mayra Riveras nachspüren. Rivera geht der Unverfügbarkeit des Menschen durch seine Gottesebenbildlichkeit nach, und versucht Differenz zu denken, die nicht festschreibt, hierarchisiert und ausgrenzt, sondern die die Einzigartigkeit eine*r Jeden* achtet. Kritisch sieht Rivera die Tendenz westlicher Philosophie, dem Gedanken der  Gleichheit vor der Differenz den Vorzug zu geben, was sich auch in theologischen und kirchlichen Reaktionen auf Rechtspopulisums und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zeigt. Oft wird (selbstverständlich auch mit Recht) darauf verwiesen: „Vor Gott sind alle gleich (Gen 1,27).“ Allerdings macht Rivera, im Anschluss an Levinas, darauf aufmerksam, dass der Fokus allein auf Gleichheit die Gefahr in sich trägt, Menschen zu vereinnahmen, zu homogenisieren und zu verdinglichen.87

Neben der Gottesebenbildlichkeit besteht eben auch dialektisch das Bilderverbot, was diesem Vereinnahmen und Verdinglichen zuvorkommen soll. In der Theologie ist das Anderssein Gottes verknüpft mit dem Begriff der Transzendenz. Inspiriert von Karl Barths Betonung des anderen Gottes versteht Rivera Gottes Transzendenz jedoch nicht als von der Welt unabhängig, herrschaftlich separiert und immateriell. Dagegen wendet sie ein: „Feminist theologians have challenged the image of the separate immaterial God for its collusion with the subordination of  women and the devastation of creation, choosing instead to emphasize the immanence of God.“88 Diese immanente Transzendenz ist auch bei dem Philosophen Emmanuel Levinas wichtig. Seine Ethik entwickelt er aus der Erfahrung der Shoa und des deutschen Faschismus heraus. Dabei wendet er sich insbesondere gegen eine totalitäre Kategorisierung von Menschen. Seine Ethik der Differenz begründet er auf der Basis der göttlichen Transzendenz im Angesicht des Anderen. Das bedeutet nicht, „dass der andere Mensch Gott ist, wohl aber, daß sich die Epiphanie des Antlitzes des Anderen in seiner Spur“ hält.89 Diese Transzendenz nun durchbricht den Versuch der Festschreibung des Anderen, durchbricht totalitäre Systeme. Der Andere betrifft und ruft mich zum respektvollen, anerkennenden Handeln ihm gegenüber. Allerdings widerspricht sich Levinas, wenn er die Anderen als Fremde, Proletarier, Witwen und Waisen festschreibend qualifiziert.90 Der Andere ist, verstehe ich ihn recht, immer ein*e Hilfsbedürftige*r.91 Es besteht hier die Gefahr, dass der Andere homogenisiert, die Beziehung immer asymmetrisch gedacht wird, womit der Status quo bestehen bleibt. Wird meine Verantwortung gefordert als eine die rettet, wird die Hilfsbedürftigkeit des  anderen kolonial immer wieder neu hergestellt. Dann begegne ich eben nicht der Anderen als Gottesebenbild, sondern als einem Ebenbild der Gesellschaft, die „ihre Mitglieder nicht nur mit Haut und Haaren beschlagnahmt, sondern nach ihrem Ebenbild  erschafft“.92

Ähnlich nun wie Levinas ist der Differenzfeministin Luce Irigaray die Transzendenz im Anderen wichtig. Diese Transzendenz oder dieses Anderssein des Anderen schützt nicht die Trennung, wie es Levinas und Barth denken. Irigaray gebraucht für ihre Vision von Begegnung, die die Transzendenz des Anderen nicht beschädigt, das Bild eines Embryos in der Gebärmutter. Die Körper sind ineinander und doch ganz anders. Die Andersartigkeit der beiden ist nicht durch Separation geschützt – im Gegenteil – sie berühren sich nährend.93
Dies bezieht Rivera nun auf die göttliche Transzendenz, die sie sich als intim und materiell vorstellt. Denn wir können ihr nicht nur im Angesicht, sondern im Leib der Anderen begegnen.94 Die zwischenmenschliche Begegnung ist nun keine außerhalb von Raum und Zeit, keine von der Geschichte der Missachtungen und Misshandlungen unberührte. So weisen die Anthropologinnen Gloria Anzaldúa und Cherríe Moraga darauf hin, dass nicht nur zwei Menschen sich begegnen, sondern immer auch ihre Gemeinschaften, die Toten und die Kommenden, und die Geschichte ihre*r Gemeinschaften.95 Es gibt also keine Begegnung vor der historisch Geschehenen. Wir kommen immer zu spät: Das „Worlding“ (so der Begriff der postkolonialen Theoretikerin Gayatri Spivak) ist schon passiert – und das zu Gunsten weniger Privilegierter.96

Begegne ich nun den Anderen, wie sie durch Sexualisierung, Rassifizierung usw. geandert wurden/hergestellt wurden, findet keine vorurteilsreduzierende Begegnung statt. Die Vorurteile verfestigen sich nur, Bild und Person werden miteinander identifiziert. „We constantly fail to encounter the other as Other.“97 Das heißt nicht, dass wir es nicht versuchen sollten. Um der Singularität des Gegenübers zu begegnen, bedarf es (selbst-)reflexiver Vorarbeit: Was sind die ungehörten, unrepräsentierten Erzählungen, die uns zu denen machten, die wir geworden sind? Wie wurde mein Gegenüber verwundet und zur rassifizierten usw. Geanderten? Die tiefe Interrelationalität unserer Differenz ist zu erarbeiten (vgl. soziale Identitätsthese). Wir sind nicht unabhängig voneinander, sind nicht autonom. Sondern sind Teil, so Rivera, eines unendlichen Netzes der Beziehungen zu anderen Menschen, anderen Orten, Toten, noch nicht Lebenden, zur Schöpfung und zu Gott.98 Dieses gegenseitige Angewiesensein, die enge Verbindung zwischen Selbst und Anderem versucht die Idee einer Ungleichwertigkeit zu verbergen. Die Verbindung zwischen dem Kolonisierten und den Kolonialherr*innen kann jedoch letztendlich nicht geleugnet werden. Die unerzählten Geschichten dieser Verbindung tauchen in der Begegnung wieder auf. „We need to fully realize, and take responsibility for the unspoken, unrepresented past that haunts the historical present,“ schlussfolgert der postkoloniale Theoretiker Homi Bhaba.99 Auch wenn persönlich keine Schuld an dieser Vergangenheit vorliegt, so sind dennoch die Verantwortung für ihre Folgen zu tragen. Es geht darum, das Unbehagen der Kompliz*innenschaft zu spüren, die Beschädigung wahrzunehmen, wieder empfindsam zu werden gegenüber der Verletzung an Gott und den Menschen und zu versuchen, den  Verletzungen zu widerstehen. Dieser „lebenslange Widerstand im Alltag heißt in der christlichen Tradition ‚Umkehr’“.100

Bedeutet das, Begegnungen zwischen Ungleichberechtigten sein zu lassen und stattdessen allein auf Selbst-/Reflektion zu setzen? Nein, denn Begegnungen können durch den Ruf des ganz Anderen eine selbst transformieren. Der Andere wurde zwar durch rassifizierende, sexualisierende Diskurse domestiziert (geandert), so dass er beinahe nicht mehr zu erkennen oder hören ist. Doch: „The transcendence of ,God‘ can help in the discovery of the other as Other.“101
Denn sie zeigt, dass mein Gegenüber undefinierbar und unrepräsentierbar bleibt. Wir können die göttliche Transzendenz nicht fassen, aber ihr im Anderen begegnen. Sie schützt mein Gegenüber vor der Domestizierung oder Vereinnahmung und ermöglicht respektvolle, anerkennende Begegnungen auf Augenhöhe. Es wurde deutlich, dass Widerspruch und Widerstand gegen alle Formen von Menschenfeindlichkeit notwendig ist. Sie ist nicht nur eine Bedrohung für viele Menschen und die Gesellschaft, sondern verletzt auch Gottes Ehre (in den Menschen), indem sie die Gottesebenbildlichkeit bzw. die Gleichwürdigkeit aller Menschen als Geschöpfe Gottes infrage stellt und beschädigt. Eine kritische Selbstreflexion der Mittäter*innenschaft an der Sünde ist schlicht notwendig, um Begegnungen ohne Gewalt mit zu ermöglichen. Mit zu ermöglichen, denn in dieser Begegnung sind wir angewiesen auf das Hören des Rufs des Anderen und seiner*ihrer göttlichen Transzendenz, auf die Vergebung der Sünde und die Wandlung und Umkehr ermöglichende Kraft des heiligen Geistes.

71 BAGKR, Vor Gott sind alle Menschen gleich, passim.
72 KRÖTKE, Art. Sünde, 1867.
73 A.a.O., 1868.
74 Dabei entspricht die Rede von Unterdrückung als Sünde biblischer Tradition (Ez 28,1f.; Lk 1,51f.; Mk 10,42 parr; 1. Kor 1,26-31). 1954 nun verurteilte die Zweite Vollversammlung des Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) erstmals in Evanston Rassismus: „Jede Form der Trennung, die durch Rasse, Hautfarbe oder ethnische Herkunft gerechtfertigt wird, steht im Widerspruch zum Evangelium.“ Ziel war es im Folgenden nicht nur Rassismus zu verurteilen, sondern auch zu widerstehen, so dass 1969 vom ÖRK-Zentralausschuss das „Programm zur Bekämpfung des Rassismus“ beschlossen wurde. „Im Jahre 1977 erklärt der Lutherische Weltbund Rassismus zum status confessionis. Damit führt ein rassistischer Standpunkt zum Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft der Lutherischen Kirchen. Aus diesem Grund wurde die Mitgliedschaft von vier weißen deutschsprachigen Lutherischen Kirchen in Namibia und Südafrika ausgesetzt.“ (ELKB, Menschenfreundlichkeit, 15.).
75 SCHOTTROFF, Art. Sünde, 523f.
76 Statt dem missverständlichen Theorie der Erbsünde gebrauche ich Grundsünde. Denn „die augustinische Lehre von der Übertragung der Erbsünde durch die Konkupiszenz […] hat sich anthropologisch im Sinne einer negativen Wertung menschlicher Sexualität verheerend ausgewirkt. Vor allem aber belastete sie das Frauenbild in der offiziell christlichen Tradition.“ (GÖSSMANN, Art. Erbsünde, 526.) Zudem steht „der Begriff des ‚Erbes‘ im Widerspruch zum Begriff der S. als selbstverantworteter Lebenstat.“ (KRÖTKE, Art. Sünde, 1868.).
77 JÜNGEL, Rechtfertigung, 97.
78 Die Frage, welche Auswirkungen die Sünde auf die „Natur“ des Menschen hat, wurde im Schema der Unterscheidung zwischen imago (Gottesebenbild) und similitudo (Gott ähnlich werden) ausgetragen. Ersteres bleibt jedoch bestehen, womit die Sündhaftigkeit kein ontologischer Sachverhalt ist. (vgl. KRÖTKE, Art. Sünde, 1888f.).
79 SOW, Deutschland Schwarz – Weiß, 272.
80 Wie mächtig Sünde ist beschreibt James Cone am Beispiel des Rassismus, der „im Herzen der amerikanischen Gesellschaft so tief verankert ist, daß wenige Weiße, wenn überhaupt welche, sich davon befreien können.“ (CONE, Schwarze Theologie, 33.) Dass ich mich davon nur selbst befreien könnte, sehe ich, anders als Cone nicht (vgl. Röm 7,18f.). Wichtig ist für mich an seinem Punkt jedoch, dass ich auch als Weiße befreiungsbedürftig bin.
81 Vgl. aus dem Lied „Caminante no hay camino“ von Joan Manuel Serrat: „Caminante no hay camino, se hace camino al andar.“
82 RADOSH-HINDER, Theo-politische Implikationen, 21.
83 LUTHER, Identität und Fragment, 168f.
84 PANNENBERG, Gottesebenbildlichkeit, 228.
85 LUTHER, Identität und Fragment, 167.
86 JOHNSON, She Who is, 11.
87 Vgl. RIVERA, Touch of Transcendence, 55-57.
88 A.a.O., 1.
89 LEVINAS, Wenn Gott ins Denken einfällt, 147.
90 Vgl. a.a.O., 116.
91 Auch wenn er nicht nur Demut, sondern auch die Erhabenheit im Flehen erkennt, ist es doch ein Flehen, das mich vom wehrlosen Anderen erreicht. Vgl.: „Das Antlitz ist Not, und in der Direktheit, die auf mich zielt, ist es schon inständiges Flehen. Aber dieses  Flehen fordert. In ihm vereinigt sich die Demut mit der Erhabenheit.“ (A.a.O., 222f.).
92 ADORNO, Reflexionen zur Klassentheorie, 149.
93 Barmehrzig ist diese Begegnung im wortwörtlich hebräischen Sinne der warmen, nährenden und ein Wachsen ermöglichenden Gebärmutter.
94 Vgl. RIVERA, Touch of Transcendence, 92f..
95 Vgl. a.a.O., 94f.
96 Vgl. a.a.O., 108.
97 A.a.O., 118.
98 Vgl. a.a.O., 94f.
99 BHABA, The World and the Home, 450.
100 SCHOTTROFF, Lydias ungeduldige Schwestern, 179.
101 RIVERA, TOUCH OF TRANSCENDENCE, 115.

3. Möglichkeiten pastoralen Handelns in der Gemeinde

„Every time you see me, you want to mess with me. I’m tired of it. It stops today!“ (Eric Garner)102

3.1. Einleitendes
Eine nachhaltige Auseinandersetzung und Prävention von Rechtspopulismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hat nicht nur an „einzelnen Stellen, zufällig und beliebig präsent [zu] sein“.103 Es gilt, die Auseinandersetzung in allen Grundaufgaben pastoralen Handelns zu führen. Der Rahmenausbildungsplan der EKBO (u.a.) stellt „vier grundlegende Handlungsfelder im ordinierten Dienst in den Mittelpunkt: Gottesdienst, Bildung, Seelsorge und Führen und Leiten“.104 Dies soll im Folgenden exemplarisch an den beiden Grundaufgaben „Führen und Leiten“ und „Bildung“ geschehen.105

102 http://www.hiaw.org/garner/
103 ELKB, Menschenfreundlichkeit, 15.
104 EVANGELISCHES PREDIGERSEMINAR WITTENBERG, Rahmenausbildungsordnung, 11. Weitere Bereiche sind Diakonie und Ökumene. Diese werde ich im Folgenden in die Kompetenzmatrix der vier Grundaufgaben einordnen und nicht gesondert behandeln.
105 Im Blick auf Gottesdienst möchte ich wenigstens kurz den großen Formenreichtum der Bitte um Vergebung, Buße und  Versöhnung aufzeigen. Dazu gehören das individuelle und kollektive Schuldbekenntnis, die Beichte, Fasten, die Almosengabe/finanzielle Umverteilung, Mahnwachen, Gebetsnächte (z.b. politisches Nachtgebet), Fasten für den Frieden, Prozessionen und Exerzizien im Alltag. Auch das Kirchenjahr bietet die zyklische Erinnerung an Gewalt und Sünde und „die Gelegenheit sich der Schuldverstrickung bewußt zu werden. […] Schließlich sind Bußgottesdienste und ökumen. sowie interrel. Dialoge zu nennen, die V. [Vergebung] und Versöhnung im Raum der Kirchen und Rel. realisieren.“ (SIEVERNICH, Art. Sünde, 1894.).

3.2. Führen und Leiten

Ein Handlungsansatz für dieses Feld ist das Konzept der „interkulturellen Öffnung“. Ich werde es kurz vorstellen, um es dann auf die Gemeindeleitung und -entwicklung zu konkretisieren und Chancen und Grenzen aufzeigen. Das Konzept kommt aus dem Bereich der psychosozialen Beratung und zielt auf die „Öffnung von freien und öffentlichen Trägern für Belange und Bedürfnisse von  Migrant/innen“.106 „,Interkulturelle Öffnung‘ ist als Entwicklungsprozess zu verstehen, der sich auf alle relevanten Ebenen in einer Einrichtung bezieht. Als zentrale Aufgaben gelten:

• die strukturelle Verankerung der interkulturellen Öffnung in Leitbildern, Konzepten, Selbstverständnis, Personalpolitik
• der Abbau von Zugangsbarrieren
• die Vermittlung von Fachwissen und Methoden zur Reflexion der beruflichen Praxis sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter/innen
• die Reflexion von Haltungen, Wertungen, und Bewertungen auf der persönlichen Ebene.“107

Aufgabe eines*r Pfarrer*in ist es, gesellschaftliche Entwicklungen wie die Etablierung von Rechtspopulismus (auch) auf Basis gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wahrzunehmen und kirchliche Grundpositionen öffentlich zu vertreten, damit Kirche als eine zivilgesellschaftliche Akteurin Gesellschaft menschenfreundlich mitgestaltet.108 Das Konzept der interkulturellen Öffnung ist angesichts dieser Entwicklung auf alle Elemente der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu erweitern. Soll das Konzept für die Gemeindearbeit konkretisiert werden, ist auf die theologische Diskussion zu verweisen. Die Schritte der Umkehr sind angesichts der Sündenmacht herausfordernd und mit Scheitern verbunden. Es ist also dafür zu sorgen ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen Fehler machen können, ohne das dies existentielle Folgen hat. Die Trainer*innen Beate Flechtker, Alice Stein und Urmila Goel, die Prozesse der interkulturellen Öffnung begleiteten, bemerken dazu: „[Die Institution] ist bereit, sich auf einen Prozess einzulassen, in dem es kein ,richtig‘ und kein ,falsch‘ gibt, kein Rezeptbuch, keine Strickanleitung, keine abzuhakende Checkliste – vielmehr eine Bewegung der Suche nach der ,Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden‘ (Foucault). [Dafür braucht es] langen Atem, Verbündete, Begleitung und Beratung und nicht zuletzt den Willen, sich selbst zu verändern.“109

Soll die Öffnung nachhaltig sein, müssen die aus der zielgruppenspezifischen Ursachenanalyse (vgl. 2.2) entwickelten Präventionsmaßnahmen sich in den institutionellen Strukturen niederschlagen.110 Dies kann z.B. durch einen Leitbildprozess geschehen. Wird im Leitbild explizit gemacht, dass die Gemeinde gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Sünde versteht, hat das Folgen. Es bedeutet, die Komfortzone zu verlassen und eine scheinbar neutrale Moderator*innenrolle aufzugeben, öffentlich Position gegen Rechtspopulismus und rechten Terror zu beziehen und sich mit den Opfern zu solidarisieren. Zudem sind präventive Maßnahmen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu institutionalisieren (z.B. die Etablierung einer Arbeitsgruppe, die als Beschwerdestelle für Opfer von Diskriminierung funktioniert und innerhalb der Gemeinde eine angemessene Auseinandersetzung ermöglicht).111

In der Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde ist zu beachten, dass sich die Gemeinde durch ihre Repräsentation auch immer wieder selbst herstellt (vgl. soziale Identitätstheorie).112 Wer aus der Gemeinde wird in Bild und Text repräsentiert und wer nicht? Sind religiöse oder biblische Figuren als weiße Menschen dargestellt?113 Es entscheidet sich immer wieder neu, wer Gemeinde ist und wer nicht. Für die Personalpolitik stellt sich z.B. die Frage, ob es Minderheitenangehörige unter den Mitarbeiter*innen in der Gemeinde gibt und in welcher Position. Zudem sollten leitende Mitarbeitende, die sich menschenfeindlich äußern und davon nicht umkehren, von ihren kirchlichen Ämtern zurücktreten bzw. ausgeschlossen werden.114

Ein Beispiel aus dem Bereich der eigenen Weiterbildung und der der Mitarbeitenden sind Anti-Bias-Trainings. Anregend ist der online verfügbare Kurs über weiße Privilegien im Zusammenhang mit Glauben von der United Church of Christ in den USA.115 So wird u.a. eingeladen eine geistliche Autobiographie mit Fokus auf Rassismus und Weißsein zu erstellen und sich in Kleingruppen dazu auszutauschen. Zusammenfassend sehe ich die Chance dieses Konzeptes darin, dass strukturelle Ausgrenzungsmechanismen und ihre Veränderung in den Blick kommen. Angesichts der vielen Elemente von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist der Fokus auf (einem womöglich essentialistisch-rassistisch missverstandenen) Kultur(-verständnis) allerdings ungenügend.

106 KALPAKA/MECHERIL, Interkulturell, 88.
107 A.a.O., 90.
108 Vgl. EVANGELISCHES PREDIGERSEMINAR WITTENBERG, Rahmenausbildungsordnung, 34.
„Wir wollen eine Kirche mit gesellschaftlicher Mission sein. So sagt es die erste These unserer Zehn Thesen ‚begabt leben – mutig  verändern‘, dem Leitbild unserer Kirche.“ (DRÖGE, Was haben Christen dem wachsenden Rechtspopulismus entgegenzusetzen?, 2, abrufbar unter: https://www.ekbo.de/fileadmin/ekbo/mandant/ekbo.de/files_ekbo.de/1._WIR/06._Bischof/Gru%C3%9Fworte_und_Vortr%C3%A4ge/170325_Vortrag_Dahlem_-
_Was_haben_Christen_dem_wachsenden_Rechtspopulismus_entgegenzusetzen.pdf).
109 FLECHTKER/GOEL/STEIN, Eine unmögliche Verbindung?, 68.
110 vgl. die von Hasenclever/De Juan beschriebene Strategie zur Förderung der der Instrumentalisierungsresistenz durch „strukturelle[…] Toleranz“. HASENCLEVER/ DE JUAN, ebd.
111 BAGKR (Hg.), Impulse für den Umgang mit Rechtspopulismus, 17.
112 Die soziale Identitätstheorie macht darauf aufmerksam, dass Identität in der Repräsentation entsteht. (Vgl. HALL, Introduction, 4.).
113 Hilfreich zur Vermeidung von Rassismen und anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeiten erscheinen mir diverse Checklisten für die Öffentlichkeitsarbeit, die unter www.ber-ev.de zum Download bereitstehen.
114 „Da juristisch das Programm die Grundlage der Entscheidung ist, können wir niemanden von kirchlichen Leitungsämtern nur wegen einer AfDMitgliedschaft ausschließen. Wenn sich aber eine Person öffentlich menschenfeindlich äußert, kann diese Person von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen werden.“ (DRÖGE, a.a.O., 9.).
115 http://privilege.uccpages.org.

3.3. Bildungsarbeit

Das Lernziel der Gleichwürdigkeit von Menschen als Gottesebenbilder bedeutet die Wahrnehmung für alle Formen individueller und
struktureller Sünde (oder Diskriminierung) zu schärfen und die Handlungskompetenz zu fördern, dagegen zu wirken.116 Es bedeutet
gleichzeitig auch sich selbst als ein Ebenbild eines unfixierbaren Gottes wahrzunehmen und sich so nicht auf eine bestimmte Identität festlegen zu lassen. Eine zu fördernde Schlüsselkompetenz ist die Kommunikationskompetenz, denn „[g]erade durch die offene Problematisierung von Diskriminierungen entstehen lebensnahe, produktive Aushandlungsprozesse und gute Lösungen“.117

Des Weiteren gilt es, die interreligiöse und interkulturelle Kompetenz zu fördern, die „die Fähigkeit [meint], sich selbstreflexiv mit den eigenen Bildern von Anderen auseinander und dazu in Bezug zu setzen sowie gesellschaftliche Bilder zu kennen und zu reflektieren.“118 Es gilt, sich der Komplexität und Interpretationsbedürftigkeit der eigenen wie der fremden religiösen Traditionen bewusst zu werden (vgl. Instrumentalisierungsresistenz 2.3.).119 Wurde unter Kirchenmitgliedern stärkeres Streben nach Eindeutigkeit und Dualismus belegt (vgl. Modernisierungsthese 2.3.), gilt es einen gelingenden Umgang mit Ambiguität und Pluralismus zu fördern. Z.b. indem auf die komplexe Tradition hingewiesen wird und immer wieder deutlich gemacht wird, dass Heilsgewissheit und Wahrheitsansprüche Glaubensaussagen sind, „deren Richtigkeit sich erst am Ende der Zeiten erweisen wird“, über die wir also keineswegs verfügen.120 Des Weiteren bedarf eine „zivilcouragierte Bildung ein gewisses Ausmaß an Non-Konformismus.“121 Soll gegen die kleinen, alltäglichen Gesten der Menschenfeindlichkeit vorgegangen werden, bedarf es der Einübung des Bruchs mit eben dieser Normalität. Im Hinblick auf das stärkere Hochhalten von Konventionen unter Kirchenmitgliedern, ist dies besonders zu beachten. Anders als die bisher auf Kompetenz orientierten Bildungsansätze scheint mir Kalpaka/Mecherils These an Riveras Überlegungen zur Transzendenz im Menschen anschlussfähig. So beschreiben die beiden die Vision, dass nicht nur das Wissen, sondern auch das Nicht-Wissen vom Anderen, das Nicht-Verstehen, Ausgangspunkt einer nichtvereinnahmenden Begegnung sein kann.122 Denn Wissen trägt das gewaltförmige Potential in sich, einschränkend und festlegend zu sein. „Erst die Anerkennung des Restes, die Anerkennung von Nicht-Wissen, ermöglicht eine Bezugnahme auf die Anderen, die nicht von vornherein in den Kategorien der Bezugnehmenden […] darstellt.“123 Damit ist die Bereitschaft erfordert, die „Illusion der Kompetenz zu verlieren“ bzw. einen verkürzten Kompetenzbegriff aufzugeben, der auf Selbstsicherheit und technisches Handelnkönnen zielt.124

Für konkrete Beispiele zu Methoden und Übungen zur Prävention und Widerstand gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten möchte ich auf diverse Broschüren – auch aus dem kirchlichen Raum – verweisen.125 Diese Vorarbeit auch zu nutzen ist wichtig angesichts der von Kalpaka/Mecheril bemerkten Diskrepanz zwischen der Klarheit auf der Definitionsebene und einer re-essentialisierenden Durchführung (vgl. 2.3). Insgesamt handelt es sich hier nicht um schnelle Lösungen, auch wenn die Sehnsucht nach konkreten Antworten und Lösungen angesichts der Gewaltopfer groß ist. Diese Sehnsucht wird verschärft durch die eigene Verunsicherung, ausgelöst durch die Anerkennung der eigenen Verstrickungen in gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten und dieAufgabe, Privilegien zu teilen bzw. abzugeben. So schnell wie möglich wieder (pastoral) handlungsfähig sein zu wollen, ohne sich auch der eigenen Ohnmacht auszusetzen, entspricht dieser Sehnsucht nach schnellen Lösungen. Eine Sehnsucht, die auch eine Materialisierung der Erzählung des weißen Retters ist, der „nur noch kurz die Welt retten“ muss (vgl. auch Spivaks ironischen Kommentar zu Kolonialismus als „White men saving brown women from brown men.“).126 Eben auch mal handlungsunfähig und verunsichert zu sein muss aber nicht als Bedrohung erfahren werden. Die Irritation stellt kreatives Potential dar, kann als Befreiung und Ermöglichung von Begegnung auf Augenhöhe bedeuten und ist daher mit Lust verknüpft. Das hieße „spielerisch das Zuhause im Unterwegs [zu erfahren und] erfahrbar zu machen, die Lust an Grenzgängerei und Vielfältigkeit zu stärken, ohne unverbindlich und unernsthaft zu werden.“127

116 Zur Kritik eines Kompetenzbegriffes, welcher die gesellschaftlichen
Bedingungen vernachlässigt, vgl. KALPAKA/MECHERIL, Interkulturell, 83.
117 KLEFF, Präventionsansatz, 15.
118 Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule. Beschluss der KMK in der Fassung von 05.12.2013, abrufbar unter:
http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/1996/1996_10_25-Interkulturelle-Bildung.pdf.
119 Vgl. HASENCLEVER/DE JUAN, ebd.
120 Vgl. SCHIEDER, Sind Religionen gefährlich?, 124.
121 Vgl. www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte FeindseligeZustaende.pdf , S. 155f.
122 Vgl. KALPAKA/MECHERIL, Interkulturell, 97.
123 Ebd.
124 Vgl. a.a.O., 83.
125 Mehrere Übungen aus dem Bereich globalen Lernens finden sich in ebasa, Solidarität Global Lernen, passim. Für den Raum der Kirche ist u.a. auf folgende Broschüren zu verweisen: BAGKR (Hg.), Impulse für den Umgang mit Rechtspopulismus im Kirchlichen Raum, passim; auf DIES., Vor Gott sind alle Menschen gleich – Beiträge zu einer rassismuskritischen Religionspädagogik, passim;  und die Handreichung der ELKB, Ja zu gelebter Menschenfreundlichkeit Gottes – Nein zum Rechtsextremismus. Haltungen, Erfahrungen und Perspektiven der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, passim; sowie DWBO, selbst verständlich. Handreichung für schwierige Gespräche zum Thema Flucht und Asyl, passim.
126 Vgl. das Lied von Tim Bedzko (2011), Nur noch kurz die Welt retten. Das Zitat von Spivak stammt aus SPIVAK, Can the Subaltern Speak?, 93.
127 STAFFA, Christian, Implikationen christlicher Bildungspraxis, 25, abrufbar unter: http://narrt.eaberlin.de/w/files/narrt/religionspaedagogik/staffa.theopolitische-implikationen-christlicher-bildungspraxis.pdf.

4. Fazit

Zu Beginn stellte sich die Frage nach den Verstrickungen von Kirche und Rechtspopulismus. Es zeigte sich allerdings bald, dass der politischanalytische Begriff Rechtspopulismus sinnvoll und die Gesellschaftsanalyse vertiefend in Zusammenhang gebracht werden konnte mit dem Konzept gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Denn eben diese Einstellungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit lassen die rechtspopulistische Konstruktion von „Volk“ plausibel erscheinen und ermöglichen die Etablierung rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien. Es wurde empirisch (2.2) und theologisch (vgl. die Darstellung christlich begründeter Homofeindlichkeit in 2.3) gezeigt, dass Kirche und Glaube Vorurteile und Praxen des Sexismus, Homofeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus begünstigen. Das erstellte Koordinatensystem der Erklärungsansätze dieser Einstellungen sollte der Überprüfung der eigenen Praxis dienen und lieferte Hinweise auf nachhaltige Prävention. Die theologische Analyse gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit deutete und protestierte gegen diese als Sünde und zeigte Wege der Umkehr hin zu Menschen- und Gottesfreundlichkeit auf. Die Gottesebenbildlichkeit (Gen 1,27) diente im Folgenden der Explikation menschenfreundlicher Erzählung und Praxis. Denn die Gottesebenbildlichkeit begründet zum einen die Gleichwürdigkeit aller Menschen. Gleichzeitig widersetzt sie sich den gewaltsam festschreibenden Erzählungen. Die Unmöglichkeit der Fixierung Gottes bewahrt die Vielfalt seiner*ihrer menschlichen Ebenbilder. Unsere Liebe zu diesem Gott kann damit die Liebe zum Menschen lehren. Der praktische, kürzere Teil (3) stellte sich die Aufgabe, Ansätze für nachhaltige Auseinandersetzung und Prävention von Rechtspopulismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufzuzeigen. Ausgangsziel war es ja, kompetent Gemeinden zu einem menschenfreundlichen Glauben und Handeln zu begleiten. Es zeigte sich, dass dies alle vier Grundaufgaben (Gottesdienst, Bildung, Seelsorge und Führen/Leiten) zu betreffen hat. Exemplarisch kamen für den Bereich Führen/Leiten (3.2) durch das Konzept der interkulturellen Öffnung strukturelle Ausgrenzungsmechanismen und ihre Veränderung in den Blick. Die leider wenig konkreten Impulse zur Bildungsarbeit (3.3) machten auf die Förderung von Kommunikations- und interreligiöser Kompetenz aufmerksam. Besonders unter Kirchenmitgliedern sind die Teilkompetenzen des Umgangs mit Ambiguität und Pluralismus zu beachten. Ebenso gilt es, für Kirchenmitglieder verstärkt, Non-Konformismus einzuüben. Abschließend wurde eine Verunsicherung – auch die der pastoralen Handlungsfähigkeit – festgestellt. Diese ist nicht als Bedrohung, sondern Ermöglichung gleichberechtigter Begegnung zu erfahren und so mit Lust zu verknüpfen – einer Lust, die selbst-/kritisch gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtspopulismus unterwegs ist und auf den befreienden, zur Umkehr und Versöhnung befähigenden Gott und seinen*ihren kommenden Schalom setzt.

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Soweit nicht anders angegeben, wurden alle Internetseiten am 16.07.2017 zuletzt abgerufen.

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