Judentum und „Christlich-Jüdisches“ in der theologischen Ausbildung
oder: Die Frage nach der Einzigartigkeit des christlich-jüdischen Verhältnisses als Grundfrage und die Folgen für die Ausbildungspraxis

Antisemitismus

Publiziert: 2016

Vortrag gehalten am 05. Dezember 2016 auf der Tagung „Reform der Reformation“ der Evangelischen Akademie zu Berlin.

 

1. Das einzigartige Verhältnis des Christlichen zum Jüdischen – oder: die Grundfrage (nicht nur) im Blick auf die theologische Aus- und Fortbildung

Die entscheidende Frage im Blick auf das Thema dieses Studientages lautet m.E.: Ist das Verhältnis von Christinnen und Christen zu Jüdinnen und Juden einzigartig oder lässt es sich unter das interreligiöse Miteinander einordnen und neben das Verhältnis zu anderen nicht-christlichen Religionen stellen? An der Antwort auf diese Frage entscheidet sich alles Weitere.

Wenn es so wäre, dass die Frage nach dem Judentum und nach der Beziehung von Christen/Christinnen und Jüdinnen/Juden der Frage nach der Beziehung zu einer anderen Religion entspricht, dann wäre es völlig in Ordnung, wenn Studierende auf dem Weg ihres theologischen Studiums und angehende Pfarrerinnen und Pfarrer in der zweiten Ausbildungsphase Kenntnisse über den Islam, über Buddhismus, Hinduismus etc. erwerben und anhand dieser Kenntnisse die Fragen nach Absolutheit und Toleranz, nach Wahrheitsanspruch und Mission klären. Dass gegenwärtig vor allem das Miteinander mit dem Islam umfassender Kenntnisse und vielfältiger Klärungsbemühungen bedarf, steht außer Frage. Ebenso wie es außer Frage steht, dass interreligiöse Kompetenz zu den Grundlagen gegenwärtiger religiöser Existenz und pastoraler Professionalität gehören muss.

Dennoch aber gilt es m.E. festzuhalten: Das Judentum steht für Christinnen und Christen nicht einfach neben den anderen Religionen, sondern steht in einer fundamental anderen Beziehung, die in den vergangenen Jahren durch immer neue Familien-Metaphern zum Ausdruck gebracht wurde.[1] Dabei wird das Mutter-Tochter-Modell zurecht kaum noch verwendet. Vielmehr hat die (historische) Forschung der vergangenen Jahrzehnte auf anregende Weise gezeigt, wie wenig lineare religionsgeschichtliche Modelle, wie sie sich im Mutter-Tochter-Modell noch finden, taugen, um dieses Verhältnis zu beschreiben. Judentum und Christentum sind eine Zwillingsgeburt der Spätantike – und sind durch die Geschichte hindurch auf vielfältige, teilweise fruchtbare, viel häufiger aber hoch-problematische Weise aufeinander bezogen.[2]

Damit bestätigt historische Erforschung auf eindrucksvolle Weise, was auch systematisch-theologisch aus christlicher Perspektive m.E. nicht anders gedacht werden kann. (Wobei die Einschränkung angesichts der Heftigkeit der Diskussion in den vergangenen Monaten doch gemacht werden muss: … dann nicht anders gedacht werden kann, wenn man nicht spätliberalen Progressionsmodellen des Religiösen aufsitzt, wie sie hier in Berlin etwa Adolf von Harnack vertreten hat und wie sie – merkwürdigerweise erneut hier in Berlin – vor knapp zwei Jahren zu großem Streit und heftigen Auseinandersetzungen führten[3]).

Das Judentum ist nicht der zufällige historische Hintergrund, auf dem sich das Christentum entfaltet hätte, sondern der notwendige, unaufgebbare und bleibende Bezugspunkt. Es geht, wie Karl Barth einmal meinte und Manuel Goldmann in einer lesenswerten Studie ausführte, bei dem Verhältnis von Christentum und Judentum (bzw. Christentümern und Judentümern[4]) um die eigentliche, die „große ökumenische Frage“.[5]

Angesichts der zahlreichen kirchlichen Erklärungen zu „Kirche und Israel“ bzw. „Christentum und Judentum“, die beinahe alle auch die Forderung enthalten, das nun Erkannte müsse in die theologische Aus-, Fort- und Weiterbildung fließen, ist es erstaunlich, bedauerlich und bedenklich (aber selbstverständlich für alle, die an einer Universität arbeiten, nicht überraschend), was heute als Ergebnisse der Göttinger Untersuchung vor Augen geführt wurde.

Ich kann es auch nochmals anders sagen: Die am 11.10.2008 vom Evangelischen Fakultätentag beschlossene und am 1.10.2009 in Kraft getretene „Rahmenordnung für den Studiengang Evangelische Theologie“[6] widerspricht grundlegend den jahrzehntelang erarbeiteten Einsichten des christlich-jüdischen Gesprächs, den kirchlichen Erklärungen und Änderungen der Kirchenverfassungen. Denn in dieser Rahmenordnung ist lediglich ein „Modul Religionswissenschaft und Missionswissenschaft bzw. Interkulturelle Theologie“ verbindlich vorgesehen, in das Lehrveranstaltungen zu Islam oder Buddhismus im Lehrangebot der Fakultäten genauso integriert werden wie Veranstaltungen zum christlich-jüdischen Dialog oder zur Judentumskunde.

Das heißt aber auch: Man kann Pfarrer oder Pfarrerin werden, ohne mit den Einsichten und Ergebnissen des christlich-jüdischen Gesprächs im Laufe des Studiums in Berührung gekommen zu sein und ohne Kenntnisse der Geschichte des nachbiblischen und gegenwärtigen Judentums erworben zu haben.

[1] Einen zum Weiterdenken anregenden Überblick über alte und neue Metaphern zur Beschreibung des christlich-jüdischen Verhältnisses bietet Jutta Koslowski, „Halbgeschwister“? Versuche der Verhältnisbestimmung zwischen Judentum und Christentum, in: KuI 31 (2016), 125–133.

[2] Vgl. dazu nur Israel Yuval, Zwei Völker in deinem Leib. Gegenseitige Wahrnehmung von Christen und Juden in Spätantike und Mittelalter, Göttingen 2009; vgl. aber auch Michael Hilton, „Wie es sich christelt, so jüdelt es sich“. 2000 Jahre christlicher Einfluss auf das jüdische Leben, Berlin 2000. Dass auch der Koran und mit ihm die Entstehung des Islam in diesen religiösen Prozess der Spätantike gehört, hat vor allem Angelika Neuwirth in ihren Veröffentlichungen gezeigt (vgl. nur dies., Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang, Frankfurt/M. 2010).

[3] Ich verweise als lediglich eine Stimme in der Diskussion, die von den Thesen Notger Slenczkas ausgelöst wurde, nur exemplarisch auf meinen Beitrag: Faktische Kanones und der Kanon der Kirche. Überlegungen angesichts der Diskussionen um die Rolle der Bibel in der evangelischen Kirche, um die Kanonizität des Alten Testaments und die Revision der Lese- und Predigtperikopen, in: PTh 104 (2015), 269–284.

[4] Faktisch handelt es sich selbstverständlich in beiden Religionen um plurale Religionsformen in Geschichte und Gegenwart, weswegen der Plural inhaltlich angemessener wäre.

[5] Vgl. Manuel Goldmann, „Die große ökumenische Frage …“ Zur Strukturverschiedenheit jüdischer und christlicher Tradition mit ihrer Relevanz für die Begegnung der Kirche mit Israel, Neukirchen/Vluyn 1997.

[6] Einsehbar unter http://www.ekd.de/theologiestudium/assets/rahmenordnung_fuer_den_studiengang_evangelische_theologie.pdf [Zugriff vom 11.12.2016].

2. Jüdisch-Christliches als Dimension des theologischen Studiums!?

Freilich ließe sich an dieser Stelle auch grundlegend anders argumentieren (und wurde im Kontext der Verabschiedung der „Rahmenordnung“ anders argumentiert): Die Zentralität des Themas, wie sie sich in den Grundartikeländerungen und Kirchenverfassungsänderungen spiegelt, könnte/müsste bedeuten, dass das Verhältnis von Christentum und Judentum sowie die Judentumskunde dimensional zum Studium der Theologie in allen Haupt- und Nebenfächern gehört.

Im Blick auf das Alte und Neue Testament ist das von vornherein evident. Niemand kann das so genannte Alte bzw. Erste Testament lesen und studieren, ohne zu bedenken, dass die meisten Texte dieser Textsammlung dem Tanach entsprechen und nicht nur historisch mit dem Judentum verbunden sind, sondern auch in der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte. (Freilich wäre auch hier einschränkend zu bemerken: Es ist faktisch durchaus möglich, im Studium des Alten Testamentes die hermeneutischen Fragen zugunsten der historischen, die gegenwärtigen zugunsten der textlichen zurücktreten lassen – und das Studium des Alten Testaments in das Studium der Religionsgeschichte des biblischen Israel zu verwandeln, ohne die Auslegung dieser Texte durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart und die hermeneutische Relevanz für Christinnen und Christen zu bedenken.[1])

Auch die Kirchengeschichte kann faktisch nicht anders betrieben werden als so, dass in ihr auch die Geschichte der Begegnung und Vergegnung (Martin Buber) von Christinnen und Christen, Jüdinnen und Juden thematisch wird. Systematische Theologie ist grundlegend angewiesen auf das jüdische „Nein“ zum christlichen Messiasbekenntnis[2] und darüber hinaus auf die Fülle und den Reichtum jüdischer theologischer Stimmen durch die Geschichte hindurch. Und auch die Praktische Theologie kann nicht anders, als auf das Judentum bezogen zu denken – sowohl historisch als auch ganz gegenwärtig.[3] Wie soll man etwa von „Advent“ reden, ohne jüdische Erwartung von den Anfängen über Walter Benjamin bis zu gegenwärtigen Messiasdeutungen zu kennen? Wie soll man – um ein völlig anderes Beispiel anzuspielen – Liturgik lehren, ohne die Geschichte der Wechselwirkung der „Two Liturgical Traditions“ wahrzunehmen?[4]

Entscheidend ist in dimensionaler Perspektive nicht eine zusätzliche Lehrveranstaltung zum Judentum. Entscheidend ist vielmehr, dass sich das im christlich-jüdischen Dialog Erarbeitete und noch längst nicht ‚Fertige‘ als Dimension des theologischen Studiums (wie dann auch der kirchlichen Aus- und Fortbildung) erweist.

Aber wenn ich das so sage und schreibe, kann ich nur feststellen, dass genau dies augenscheinlich nicht geschieht. Christlich-jüdischer Dialog wird ebenso wenig grundlegend bedacht wie Judentumskunde flächendeckend in die Lehrveranstaltungen der verschiedenen Fächer integriert würde. Dies zeigt sich etwa in Homiletischen Examensarbeiten, die sich nicht selten völlig kenntnislos im Blick auf das Judentum und den langen Prozess des „parting of the ways“ zeigen (da erscheint Paulus vielmehr als vor Damaskus vom Judentum zum Christentum Bekehrter, der sich in seinen Briefen an „christliche Ortsgemeinden“ in unterschiedlichen Städten wendet; da herrschen Vorstellungen von „Gesetz“, die der Vielfalt des mit „Tora“ Gemeinten entgegenlaufen etc.). Dies zeigt sich aber auch dort, wo unter Studierenden oder Lehrenden angesichts der zweifellos und allein schon durch die zahlenmäßige Präsenz gegebenen Herausforderung durch den christlich-islamischen Kontext die Auffassung vorherrscht, man müsse sich gegenwärtig vielmehr dem Islam widmen – und der christlich-jüdische Dialog habe ja seine Zeit gehabt.

Dass eine dimensionale Beachtung des Judentums und des christlich-jüdischen Dialogs in allen Fächern schlicht auch daran scheitert, dass keineswegs alle Lehrenden grundlegend informiert sind, kommt als weiteres Problem hinzu (wobei es ja schon genügen würde, wenn alle fröhlich dilettieren würden, kommt dieser Begriff doch von dem Lateinischen delectare und ist so m.E. weit weniger pejorativ zu verstehen, als er häufig gehört wird).

 

 

 

[1] Vgl. zu dieser Frage bereits Hans-Christoph Schmitt, Religionsgeschichte Israels oder Theologie des Alten Testaments?, in: ders., Theologie in Prophetie und Pentateuch, BZAW 310, Berlin/New York 2001, 346–367.

[2] Vgl. dazu auch Alexander Deeg, Messianisch predigen, in: ders./Manuel Goldmann (Hg.), Gottes Gesalbte: Priester – Könige – Propheten. Solus Christus neu gelesen, in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Perikopenjahr 2016/17, Wernsberg 2016, lix–lxviii.

[3] Vgl. hierzu die in PrTh 39 (2004), H. 4, gesammelten Artikel zur Bedeutung des christlich-jüdischen Gesprächs in den unterschiedlichen Fächern der Praktischen Theologie.

[4] Unter diesem Titel erschien, herausgegeben von der University of Notre Dame, eine Schriftenreihe in den 1990er bis frühen 2000er Jahren.

3. Die Notwendigkeit expliziter Thematisierung des Judentums und des christlich-jüdischen Dialogs – Ein Blick auf konkrete Schritte und einige Forderungen

Daher geht m.E. kein Weg daran vorbei: Es muss (1) Judentumskunde und (2) christlich-jüdischer Dialog explizit zum Studium der Theologie gehören. Nur so lässt sich erreichen, dass Studierende tatsächlich etwas von diesen Inhalten mitbekommen und dass diese dann in Folge auch dimensional das Lehren und Lernen der Theologie bereichern.

Thetisch formuliert bedeutet das bisher Gesagte:

(1) Kompetenz im christlich-jüdischen Dialog/Gespräch ist christliche Basiskompetenz für jeden weiteren interreligiösen Dialog. Anders formuliert: Christinnen und Christen, die im christlich-jüdischen Gespräch/Dialog keine Erkenntnisse und Erfahrungen mitbringen, sind m.E. nicht in der Lage, in den weiteren interreligiösen Dialog einzusteigen. Oder: Wer die Aufgaben in der eigenen ‚Familie‘ nicht gelöst hat bzw. wenigstens an ihnen arbeitet (vgl. die oben erwähnten Familienbilder zur Beschreibung des christlich-jüdischen Miteinanders), kann auch außerhalb der eigenen Familie nicht identitätsbewusst und differenzsensibel agieren und argumentieren. So lässt sich m.E. auch im Blick auf ein ‚interreligiöses‘ Modul formulieren, warum es darin oder in einem eigenen Modul bzw. eigenen Lehrveranstaltungen explizit um das Judentum und das christlich-jüdische Verhältnis gehen muss.

Studienpraktisch muss dies – angesichts eines ohnehin im Vergleich zu früheren Zeiten überaus regulierten (bzw.: über-regulierten[1]) Studiums – m.E. nicht bedeuten, dass den bisherigen Basis- und Aufbaumodulen jeweils ein weiteres hinzugefügt wird. Es könnte auch in der Studienordnung der jeweiligen Fakultäten verlangt werden, dass in jedem Studienabschnitt mindestens drei Veranstaltungen dem Bereich „Judentumskunde/christlich-jüdischer Dialog“ entstammen müssen (ggf. in der klassischen Aufteilung der Lehrformen: Vorlesung/Seminar/Übung). Das könnte dann z.B. bedeuten, dass eine Vorlesung „Geschichte Israels und des Judentums“ im Fach Altes Testament mit einem Seminar „Jüdische und christliche Liturgie“ in der Praktischen Theologie und einer Übung „Luthers Judenschriften“ in der Kirchengeschichte kombiniert und so der entsprechende Nachweis erbracht wird.

Möglich wird eine solche Veränderung selbstverständlich nur, wenn sich Kirchen und Fakultäten dazu verständigen, die Prüfungs- und Studienordnungen gleichzeitig und in dieser Hinsicht zu verändern. Aktiv werden muss hier zunächst die „Gemischte Kommission“, deren Ergebnisse dann in den Landeskirchen und im Fakultätentag weiter zu beraten sind.

(2) Christlich-jüdischer Dialog ist systematisch-theologisch basal für jede Frage nach christlicher und kirchlicher Identität. Das haben einerseits die kirchlichen Erklärungen und vor allem auch die Verfassungsänderungen m.E. deutlich gezeigt. Andererseits hat dies (sozusagen spiegelbildlich) auch die von Notger Slenczka ausgelöste Diskussion um die Kanonizität des Alten Testaments deutlich gemacht. Reformatorisch formuliert: Ich kann nicht aussagen, was sola scriptura und solus Christus bedeuten (und damit auch: sola fide und sola gratia), wenn ich dies nicht im christlich-jüdischen Kontext sagen kann. Das Verhältnis der Testamente im Rahmen einer christlichen Hermeneutik ist dabei sicherlich die entscheidende Grundfrage.  M.E. gilt es, an diesen Fragen quer durch die Fächer der Theologie weiter zu arbeiten, da sie – wie viele Diskussionen zeigen – trotz der kirchlichen Erklärung keineswegs bereits zu konsensualen Ergebnissen geführt haben. Ich bin zudem davon überzeugt, dass die theologische Arbeit im christlich-jüdischen Kontext in vieler Hinsicht erst am Anfang steht – und widerspreche damit vehement einer Haltung, die behauptet, man habe nun das Entscheidende erreicht und könne/müsse sich anderen Themen als denen des christlich-jüdischen Gesprächs zuwenden.

Daher muss es auch darum gehen, die Forschung im Bereich des christlich-jüdischen Gesprächs zu intensivieren und mit Impulsen auszustatten. Die Einrichtung einer – innerhalb der deutschsprachigen Fakultäten rotierenden – Gastprofessur „Christlich-jüdischer Dialog“ wäre dazu ein interessanter erster Schritt.[2] Zu denken wäre aber auch an die weitere Einrichtung von Preisen für Examensarbeiten, Dissertationen bzw. Habilitationen für Arbeiten mit Themen im Kontext des christlich-jüdischen Gesprächs.[3]

(3) Materialiter erscheint es m.E. besonders dringlich, folgende vier Aspekte in universitären Veranstaltungen und in der zweiten Ausbildungsphase zu berücksichtigen:

– Jüdische Auslegung des Tanach, jüdische Hermeneutik durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart;

– Jüdische Ethik im Kontext der Halacha (und ihre neuzeitlichen Transformationen);

– Jüdisches Gebet/jüdischer Gottesdienst/jüdische Spiritualität – in Geschichte und Gegenwart

– Jüdisch-christliche Begegnung und Vergegnung durch die Zeiten und in der Gegenwart.

(4) Vor allem das Studienprogramm „Studium in Israel“ macht deutlich, wie fruchtbar die Begegnung mit dem lebendigen Judentum in Israel (und auf dieser Basis: auch mit dem Islam!) für die Frage nach christlicher Identität und für theologische wie hermeneutische Entdeckungen ist. Exemplarisch zeigt sich dies an den seit 1996 erscheinenden „Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext“, in denen die biblischen Texte der vorgesehenen Predigtordnung für jeden Sonn- und Feiertag des Kirchenjahres auf dem Hintergrund des christlich-jüdischen Gesprächs bedacht werden. Es wird dadurch besonders deutlich, dass christlich-jüdischer Dialog und Judentumskunde keine Spezialthemen sind, sondern an jedem Sonn- und Feiertag Relevanz haben.

M.E. müsste dies bedeuten: Es darf keine Pfarrerin und keinen Pfarrer, keine Lehrerin und keinen Lehrer für evangelische Religion geben, der oder die am Ende seines/ihres Studiums noch nie in Israel war. Kirchen sollten mindestens Kurzzeitaufenthalte für alle Studierenden ermöglichen und gleichzeitig die Studienprogramme (für die evangelische Kirche heißt dies vor allem: „Studium in Israel“) weiter stärken.

 

[1] Vgl. die Überlegungen von Bernd Schröder im Kontext dieses Studientags.

[2] Eine solche ‚rotierende‘ Gastprofessur erschiene mir von ihrem Effekt her weit wirkungsvoller als die Einrichtung einer Stiftungsprofessur an einem festen Standort. Es wäre so nämlich möglich, die Arbeit an den Fakultäten deutschlandweit in einem Zeitraum von ca. zehn Jahren mit Impulsen aus dem christlich-jüdischen Dialog zu bereichern. Die Arbeit an den unterschiedlichen Standorten könnte dann auch kirchlich begleitet und in die Erwachsenenbildung fortgeführt werden.

[3] Die Einrichtung solcher Förderpreise wurde jüngst von dem bayerischen Verein zur Begegnung von Christen und Juden (BCJ.Bayern) beschlossen.