narrt-Tagung – 2023

Interdisziplinäre Kreuzwege – intersektionale Transformation(en) christlich-antijüdischer Feindbilder

Die Tagung richtet sich an Multiplikator*innen aus Journalismus, Politik und Bildung. Sie verfolgt zum einen das Ziel, Akteur*innen aus allen drei Bereichen für christliche Signaturen im Antisemitismus und seine Äußerungsformen zu sensibilisieren. Zum anderen wird das politische Anliegen der Antisemitismuskritik sowie der Intersektionalität vertieft, verbunden mit der Suche nach konkreten Veränderungen und Interventionen in den verschiedenen Praxisfeldern.

Thematisch sucht die Tagung Bilder und Metaphern auf, die in der christlichen Tradition zu Negativstereotypisierungen „des/der (angeblich) Anderen“ geführt haben. Die Relevanz dieser christlichen Signaturen, die in Politik, Journalismus und Bildung von Bedeutung ist und auch im Säkularen wirksam ist, wird konkreter erfasst, um Gegenbilder und Störungen zu entwickeln, die sich in kirchlichen Kontexten sowie in der säkularen Welt auswirken sollen. Der Erkenntnisweg der Tagungsorganisator*innen kommt von einer Analyse der christlichen Signatur antisemitischer Bilder her und will sich intersektional weiten, insbesondere Richtung Rassismus und Sexismus, ohne deren Gleichheit zu behaupten.

Zu diesem gemeinsamen Nachdenken, Sondieren und Ausloten von Handlungsoptionen laden wir Sie sehr herzlich ein.

Die Tagung ist eine Kooperation mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung/Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, narrt (dem Netzwerk antisemitismus- und rassismuskritischer Religionspädagogik und Theologie) und
den Projekten „Bildstörungen – Elemente einer antisemitismuskritischen theologischen und religionspädagogischen Praxis“ und „DisKursLab – Labor für antisemitismus- und rassismuskritische Bildung und Praxis“ an der Evangelischen Akademie zu Berlin.

Das Programm finden Sie hier.

Anmeldungen bitte an eichhorst@eaberlin.de

narrt-Tagung – 2021

Bildstörungen: Anders erzählen

Biblische Erzählungen aus antisemitismuskritischer Perspektive

Wie können christliche Kernnarrative aus antisemitismuskritischer Perspektive neu und anders erzählt werden?

Unter dem Motto „Anders erzählen“ widmeten wir uns in der diesjährigen narrt-Tagung dieser Frage widmen.

Der Umgang mit biblischen Geschichten gehört zum Tagesgeschäft von Multiplikator*innen in kirchlichen, schulischen und universitären Kontexten. Die Texte bieten einerseits facettenreiche Möglichkeiten des kreativen Umgangs und nachdenklicher Auslegung. Viele Bilder biblischer Figuren, Szenen und Geschichten sind als Teil christlicher Tradition eng vertraut und sie bieten immer neue Möglichkeiten der Auseinandersetzung im Schulunterricht, in Seminaren, im (Kinder-)Gottesdienst, im Konfirmationsunterricht.

Andererseits bergen viele einflussreiche Erzählungen eine Schattenseite, weil sie Teil antijüdischer Traditionen geworden sind. Im täglichen Umgang und im politischen Leben bestätigen sie sich immer wieder neu und verfestigen sich. Wo Menschen die Bibel lesen und auslegen, lernen sie – oft negatives – mit Pharisäern, Hohepriestern, Synagogen, Gesetz und Geld zu assoziieren und sich figürlich vorzustellen. Solch antijüdische Bilder sind vielfach unbewusst und deshalb unter der Oberfläche umso wirksamer.

Der Anspruch, verzerrte Bilder zu verlernen, ist deshalb eine vielschichtige Aufgabe, die auch einer selbstkritischen Haltung bedarf. In der Tagung näherten wir uns der Antisemitismuskritik deshalb zunächst in Form kritischer Selbstreflexion. Inwiefern sind wir Träger*innen von Antijüdischem? Welche inneren und äußeren Hindernisse gibt es, die den Umgang mit antisemitismuskritischen Inhalten erschweren?

Im Verlauf der Tagung reflektierten wir dann vier Bilder kritisch, die sich heute auch in der säkularen Gesellschaft finden lassen, ohne dass ihr kirchengeschichtlicher Ursprung wahrgenommen wird.

  1. Die Verschwörung der jüdischen Eliten gegen Jesus von Nazareth
  2. Der Verrat des Judas gegen Geld als Paradigma jüdischer Illoyalität
  3. Das Gesetz als Kern einer selbtgerechten Verbotsreligion
  4. Die Landverheißung und Israel als koloniales Projekt

Diese Bilder und Erzählstrukturen machten wir uns bewusst und erschlossen neue Inhalte, die entstehen, wenn man die Bibel als ein jüdisches Buch versteht. Wie können wir beispielsweise die Passionsgeschichte erzählen, ohne die Hohepriester als verschwörerische Herrscherclique zu lesen? Was passiert, wenn der Judaskuss ein tränenreicher Abschiedskuss wird? Warum ist jedes Jota der Tora wegweisend für Christenmenschen? Wie können wir antisemitismuskritische Inhalte so einspeisen, dass sie auch im Bildungshandeln mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zum Tragen kommen?

Gemeinsam erstellten wir Material und verarbeiteten es kreativ weiter, um Elemente neuer Erzählweisen zu produzieren und Paradigmenwechsel für diese Erzählungen anzubahnen. Damit möchten wir auf der narrt-Seite eine Datenbank für Bildungsmaterialien entwickeln, die theologisch fundierte und biblisch-exegetisch kundige Narrative vermitteln, ohne antisemitische Zerrbilder zu bedienen.

NÄCHSTER TERMIN:

23. – 25. Oktober 2023

LETZTE VERANSTALTUNG:

2021 – Bildstörungen: Anders erzählen

2020 – hands on?

2018 – Macht.Identität.Verletzung

narrt-Tagung – 2020

hands on?

Labor für antisemitismuskritisches Material

hands on?

Vom 6. bis 8. September 2020 fand die digitale Tagung „Hands on? Ein Labor für antisemitismuskritisches Material“ statt. Sie begann am frühen Sonntagnachmittag im schönen Zoomland. Zu hören und zu sehen gab es Vorträge von Prof. Dr. Ilona Nord, Prof. Dr. Joachim Willems und Prof. Dr. Julia Bernstein. Daneben gab es von Tami Rickert und Mehmet Can zwei hervorragende Einblicke in die alltägliche Bearbeitung von Antisemitismus in heterogenen Gruppen in außerschulischen und schulischen Kontexten.

Prof. Dr. Ilona Nord sprach über Antisemitismus und Intersektionalität. Intersektionalität sieht sie als geeignete Analysekategorie, um die kulturelle Komplexität von Antisemitismus aufzudecken. Dabei machte sie deutlich, dass Antisemitismus sowohl ein Deutungsmuster der Welt als auch eine Denkform ist, die Wahrheit beansprucht. Als solcher ist er ebenfalls Teil des christlichen Glaubens und christlicher Traditionsbildung und wurde so auch über religiöse Bildung verbreitet. Nicht nur deshalb, so schließt Ilona Nord ihren Vortrag, muss es im Religionsunterricht „um das Einüben religionsbezogener und religiös artikulierter Kommunikation mit bewusstem Umgang der zu ihr gehörenden Deutungsmacht und Wahrheitsansprüchen gehen.“

Prof. Dr. Joachim Willems sprach über Religionspädagogische Strategien in der Bildungsarbeit zu Antisemitismus. Drei Punkte hob er besonders hervor: So bedarf es erstens einer Bildungsarbeit, die Antisemitismus nicht (re)produziert. An Beispielen aus Lehrwerken verdeutlicht Joachim Willems, wie vielschichtig die Herausforderung und wie wichtig eine kritische Einordnung durch die Lehrkräfte ist. Zweitens, so schlägt er es anhand von Karlo Meyers vier Religionserschließungsmodi vor, sollten antisemitismuskritische Potentiale, die das Interreligiöse Lernen bieten, genutzt werden. Drittensommt es auf das Framing an: „Du sollst Antisemitismus in Unterrichtsreihen zum Judentum ansprechen, aber auch Judentum zum Thema machen ohne von Antisemitismus zu reden und auch Antisemitismus zum Thema machen, ohne vom Judentum zu reden.“

Prof. Dr. Julia Bernstein brachte in ihrem Vortrag zu Antisemitismus an Schulen vor allem Äußerungen von Schüler*innen und Lehrer*innen zu Gehör, die diesen tagtäglich auf Schulfhöfen, in Klassenräumen oder Lehrendenzimmern erleben. Sie unterstrich damit eindrücklich den großen Handlungsbedarf, denn Schulen, so sagte sie, seien noch immer ein massiver Erfahrungsort für Antisemitismus. Alle Äußerungen stammten aus ihrer jüngst erschienen qualitativen Studie: „Antisemitismus an Schulen in Deutschland“, in der erstmals Schüler*innen und Lehrer*innen zu ihren Erfahrungen mit Antisemitismus befragt wurden.

Tami Rickert, die für die Bildungsstätte Anne Frank sprach, erläuterte die unterschiedlichen Handlungsstrategien einer antisemitismus- und rassismuskritischen Bildungsarbeit: Prävention, Intervention und Nachsorge. Eine solche Bildungsarbeit, so appellierte Tami Rickert, sollte antisemitische und rassistische Konstruktionen reflektieren und zuschreibungssensibel sein. Mehmet Can, der an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli arbeitet, stellte zunächst Leerstellen in der pädagogischen Auseinandersetzung und anschließend einige Projekte der Schule vor. Diese stellen im Kern ein nachhaltiges Begegnungslernen sowie ein Bearbeiten von Vorurteilen und Stereotypen dar.

Ein voller Tag mit zahlreichen Eindrücken, anregenden Diskussionen und Erfahrungsaustauschrunden fand mit einem knackigen Speeddating und einem anschließenden Musikratespiel ein lockeres Ende.

Die darauffolgenden Tage waren geprägt von einem Experiment. Antisemitismuskritische Materialien sind im religionspädagogischen und theologischen Kontext kaum bis gar nicht vorhanden. Das liegt unter anderem auch an der großen Aufgabe und den Lähmungseffekten die eintreten, wenn man sich allein daran versucht. Eine kreative, herausfordernde und über Hürden-helfende-Methode musste gefunden werden: Design-Thinking! Allerdings war dies die perfekte Idee für eine analoge Tagung in Oldenburg – Würde sie auch virtuell funktionieren, wo es doch auf die gemeinsamen Im-Raum-Aktionen und haptischen Anregungen ankommt? Die Resonanz jedenfalls war groß und die Experimentierfreude aller Beteiligten auch. Und – so viel sei verraten – es funktionierte in beeindruckender Art und Weise auch digital. Insgesamt konnten sechs Gruppen gebildet werden, die sich mit unterschiedlichen Materialien befassten. In den Gruppen wurden diese diskutiert, Probleme und dafür prägnante Aufgabenstellungen formuliert und kreative Lösungen entwickelt. So wurde in der einen Gruppe, die sich mit einer nachhaltigen Umsetzung des Begegnungslernens-Ansatzes von „Triff einen Juden oder eine Jüdin“ befasste, ein Prototyp für Denk-Mal entwickelt. Dieses Denk-Mal ist eher instabil und wackelt, benötigt Aufmerksamkeit und kann nicht in eine Ecke gestellt werden, denn es blinkt und erklingt alle paar Tage, um eine beständige Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus zu erinnern. Zugleich bietet es die Möglichkeit, mit Hilfe eines QR-Codes auf eine Website oder App zu gelangen, um mit Juden und Jüdinnen in Kontakt zu treten. Ganz ähnlich entwickelte eine weitere Gruppe ein Konzept, für einen beständigen Schüler*innenaustausch unter dem Motto: „Wer bist du – Wer bin ich?“. Mit komplexen Identitäten, die in ihrer Vielfalt der Antisemitismusprävention dienen, beschäftigte sich eine dritte Gruppe, die dazu entsprechende Rollenkarten konzipierte. Dass Antisemitismus noch heute ein großes Problem ist, hat die vierte Gruppe in den Blick genommen. Eine weitere Gruppe befasste sich mit der Macht von antisemitischen Zuschreibungen. Beide Gruppen schrieben dazu eine Unterrichtsreihe. In der sechsten Gruppe wurde schließlich eine Projektwoche zum Thema „Umgang mit Schuld“ entworfen. Alle Prototypen bedürfen einer weiteren Konkretisierung. Wir, als narrt- Steuerungsgruppe, wünschen uns, dass an diesen Prototypen weitergearbeitet wird. Möglichkeiten zu erneuten Vorstellungen, kollegialem Feedback und weiteren Unterstützungen können die monatlichen narrt-Cafés bieten.

Wir bedanken uns bei den Referent*innen für die eindrücklichen Vorträge und bei unseren experimentierfreudigen Teilnehmer*innen für ihr Engagement und die tollen Ergebnisse!

narrt-Tagung – 2018

Macht. Identität. Verletzung

Macht. Identität. Verletzung