Zwei Zeitungsartikel
Gruppe A: Drei Weiße aus dem Morgenland, lokale Zeitung NRW
[…] Als Madina Mohamed in der Grundschule zum ersten Mal Sternsinger sah – zwei weiße Könige und einen schwarz angemalten – war sie verwirrt, konnte das Gefühl aber zuerst nicht einordnen. „Erst später, als ich über Blackface gelesen habe, wusste ich, was das war“, sagt die Leiterin der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD) Stuttgart.
[…] Die unrühmliche Geschichte des Blackface ist ein Grund dafür, dass Madina Mohamed die Sternsinger-Tradition kritisiert. Denn auch der schwarze unter den heiligen drei Königen wird meist von einem geschminkten weißen Kind dargestellt. Sind die Sternsinger also rassistisch? „Blackfacing ist in Amerika diskriminierend“, sagt Thomas Römer vom Kindermissionswerk. „Bei den Weisen aus dem Morgenland geht es aber um einen würdevollen König. Wir sehen einen Unterschied zu verhohnepipelnden Darstellungen, mit dicken Lippen zum Beispiel.“
Doch auch wenn der schwarze König keine lächerliche Figur ist – auf Schwarze kann es trotzdem verletzend wirken, wenn Weiße sich schwarze Haut schminken. „Es hat etwas mit Machtstrukturen in der Gesellschaft zu tun“, erklärt Madina Mohamed. „Weiße können Asiaten oder Schwarze darstellen.“ Umgekehrt komme das so gut wie nie vor. Die Aussage gegenüber Nicht-Weißen sei: „Ich darf das machen, weil du nicht Teil der Gesellschaft bist.“
[…] Für Madina Mohamed wäre die Lösung ganz einfach: „Die Kinder können sich gerne verkleiden, und wenn ein schwarzes oder asiatisches Kind dabei ist, ist das egal.“ Einem Kind, das sich schwarz anmalen wolle, könne man erklären, dass es damit seinem schwarzen Schulkollegen Markus weh tue. […]
Gruppe B: Blackface bei Sternsingern ist immer noch ein Problem, VICE-Magazin
[…] Laut der katholischen Jungschar, die die Dreikönigsaktion in Österreich initiiert, steht diese Symbolik eines schwarzen Königs dafür, dass „alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, gleiche Rechte und Würde besitzen“. Eine Mitarbeiterin des Kindermissionswerks, Nele Harbeke, erklärt: “Dass Kinder sich die schwarze Farbe für Caspar aufs Gesicht auftragen, ist auch als Ehrung und Wertschätzung des afrikanischen Kulturkreises zu verstehen ‒ und nicht als Diskriminierung“, Es sei eher diskriminierend, ergänzt sie, wenn keiner der Könige farbig sei. „Das widerspricht der Tradition.“
[…] In meiner Pfarre musste immer das Kind, das als letztes am vereinbarten Treffpunkt erschien, der Schwarze sein. Dass das im Grunde genommen Blackfacing war, war damals niemandem von uns bewusst. Der vermeintliche Gedanke der Solidarität mit Menschen aller Hautfarben greift zumindest nicht (und noch weniger, wenn die Rolle des dunkelhäutigen Königs als Bestrafung gesehen wird). Dementsprechend viel internationale Kritik gab es in den letzten Jahren an dem Brauch […]. Es sei an der Zeit, Rücksicht auf die sehr problematische Geschichte dieses Phänomens̶das Stereotype und Rassismus schürt̶zu nehmen.
Traditionen sind wertvoll, dürfen̶und sollten̶aber auch hinterfragt werden. In einer Zeit, in der die Hautfarbe eines Menschen nicht auf seine Heimat schließen lässt, sind Sternsinger mit schwarz oder gelb geschminkten Gesichtern einfach nicht mehr zeitgemäß. Und wenn eine ungeschminkte Sternsinger-Gruppe immer noch gefragt wird, „wo denn der Neger sei“, dann weiß man auch, wieso.
Welche Argumente sprechen für die jeweilige Darstellung der Heiligen Drei Könige?
Sternsängerkinder mit einem schwarz geschminkten Kind
Sternsängerkinder ohne ein schwarz geschminktes Kind
Hausaufgabe
Um das Fest der Heiligen Drei Könige herum wurden in den Zeitungen Bilder von Kindern veröffentlicht, die als Sternsinger durch die Straßen gezogen sind. Auf vielen der Bilder ist eines der Kinder schwarz geschminkt. Schreibe einen Leserbrief an eine der Zeitungen, in dem Du deine Perspektive auf dieses „blackfacing“ erörterst und Stellung beziehst: Handelt es sich hier um eine rassistische Tradition?
DEFINITIONEN
Rassismus
1) R. leitet sich vom Begriff Rasse ab, der ‒ obwohl im GG Art. 3, 3 noch verwendet ‒ anthropologisch nicht haltbar ist.
2) Der (politische, soziale, kulturelle) R. unterstellt hingegen eine Homogenität biologischer Rassen aufgrund äußerlicher Unterschiede von Menschen (wie z.B. der Hautfarbe). Den so konstruierten Gruppen werden fälschlicherweise bestimmte Wesenszüge und Charaktereigenschaften zugeschrieben. Diese werden in Bezug auf die eigene Gruppe überhöht und in Bezug auf andere Personen oder Gruppen abgewertet. Der R. fördert damit das eigene Überlegenheitsgefühl und erzeugt Vorurteile, Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber anderen Menschen und führt zu sozialer Ausgrenzung.
Alle Formen des R. übersehen (bzw. leugnen), 1. dass Menschen zwar über unterschiedliche Anlagen und Fähigkeiten verfügen, die aber immer in der konkreten (politischen, sozialen, ökonomischen) Umwelt geformt werden und, 2. dass trotz äußerlicher und persönlicher Unterschiede zwischen Menschen jeglicheForm der Einteilung und Abgrenzung in Rassen willkürlich, konstruiert und wissenschaftlich nicht belastbar ist.
Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 5., aktual. Aufl. Bonn: Dietz 2011. Abgerufen bei der Bundeszentrale für Politische Bildung.
Blackfacing
Das Wort Blackfacing ist vom englischen Blackface abgeleitet und bezeichnet die Darstellung schwarzer Menschen durch (häufig stereotyp) geschminkte Weiße. Sie hat ihren Ursprung im amerikanischen Theater des 19. Jahrhunderts: Weiße Schauspieler schminkten sich als Schwarze und stellten sie als immer betrunken und dumm dar. Die Identität einer diskriminierten Gruppe wird als Kostüm behandelt, das beliebig an- und abgelegt werden kann.