Andacht zum Thema Identitäten

AntisemitismusRassismus

Publiziert: 2016

Begrüßung

Liturg:

Beim Propheten Jesaja heißt es:
Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne!
(Jesaja 47,13)

Macht eure Ohren auf. Wir hören Worte, Zwischentöne, Grenzgänge.
Lasst uns von Ort und Stelle gehen.
Den Platz der Ermüdung verlassen.
Und wir singen in die Worte hinein: Kyrie Eleison…

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig noch zu verantworten ist, wäre der Versuch, alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten. Erkenntnis hat kein Licht, als das von der Erlösung her auf die Welt scheint: alles andere erschöpft sich in der Nachkonstruktion und bleibt ein Stück Technik.
(Adorno, Minima Moralia, Zum Ende)

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen
Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten
(Mascha Kaleko)

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Beim Propheten Jesaja heißt es:
Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne!
(Jesaja 47,13)

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Wenn ihn nicht die Sehnsucht
Über alle Länder flöge
Wär er längst erwachsen klug und fehlerfrei
Wenn ihn nicht das Heimweh
Über alle Berge zöge
Wär er längst nicht mehr dabei
Nachzudenken über dich und mich
Wär er längst ein lebloser Gedankenstrich
(Hanns Dieter Hüsch)

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

„Das Unterwegs-Sein hält Distanz zur Welt, ohne ihr zu entfliehen. Befreit vom Leistungs- und Verwertungszwang. Die Welt breitet sich aus, doch kann sie nicht Heimat werden. Die Heimat liegt nicht hinter uns, sondern vor uns“
(Henning Luther)

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Eine Demokratie erstickt, wenn sie dominiert wird vom rückwärtsgewandten Dogma angeblich gefestigter, starrer Identität. Sie lebt nur im mutigen Probieren ins Unbestimmte hinein.
(Carolin Emke, Aufbruch)

 Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Weit besser ist es, vollständig verirrt zu sein – und es zu wissen. als zuversichtlich zu glauben, man sei dort, wo man nicht ist.

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Hinter der Nebelwand im Gehirn gibt es noch andere Gegenden, die blauer sind als du denkst. Kühl und hell, schwerelos ginge dein Atem dort, wo dein Ich nichts wiegt“
(Enzensberger)

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…            

Nur eines nimm von dem, was ich erfahren:
Wer Du auch seist, nur eines- sei es ganz“
(Mascha Kaleko)

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Nur eines nimm von dem, was ich erfahren:
Wer Du auch seist, glaub nicht, du seist ganz

Kyrie Eleison, sieh wohin wir gehen…

Gott kommt in Jesus Christus zur Welt. Er erweitert seine treue, menschliche Beziehung zu seinem auserwählten Volk Israel und wird Mensch für alle Menschen. Er, der in göttlicher Gestalt war, hält es nicht daran fest, gottgleich zu sein, sondern wird Mensch, ja Sklave. D.h. Jesus, das Ebenbild Gottes, klammerte sich nicht daran, Gott gleich zu sein – wird Mensch, nimmt dabei die niedrigste Position ein, die es in einer Gesellschaft gibt.
An den tiefsten Punkt von Menschenleben eben bis in den Tod, stellt sich Gott uns zur Seite. Gott selbst hält nicht daran fest, Gott zu sein. Oder auch er kann und will nur so Gott sein in dieser Solidarität.

Kyrie eleison, sieh wohin wir gehen

 

Lasst uns beten:

Gott, lass Du uns von Ort und Stelle gehen.
Den Platz der Ermüdung verlassen.
Gib uns Proviant für lange.
Gib uns Mut und Landkarten, die noch nicht beschrieben sind.
Lass uns das neue Land in Augenschein nehmen

Gemeinsam beten wir, wie Jesus Christus gebetet hat …