Entäußerung: Andacht zu Philipper 2,5–11

AntisemitismusRassismus

Publiziert: 2016

Begrüßung

Lied: Er weckt mich alle Morgen (Ev. Gesangbuch Nr.452), Strophe 1-2

Psalm 130 (Ev. Gesangbuch Nr. 751)

Mit Palmenzweigen, mit den damals heiligen Zweigen stehen Menschen da und warten. Jubeln, dass es heller und weiter werde. Der da auf einem Esel in Jerusalem einreitet, das kann doch kein König sein. Aber doch: Sieh dein König kommt, Tochter Zion, er reitet auf einem Esel. Begrüßt wird Jesus wie ein Herrscher, ein König, aber er auf einem Esel, nicht nur Menschengleich, weniger noch, ein Knecht. Er gibt sich hin, setzt sich aus. Nicht im Palast hinter Mauern, sondern auf den Straßen von Land und Stadt, unwegsamen Wegen bis zum Tod.

Es wird Palmsonntag. Fest steht: Gott kann nicht an sich halten, er kann nicht bei sich bleiben. Er wählte Israel als sein Volk, das kleine und unscheinbare, dem wendet er sich in Liebe zu. Nun zu den Völkern. Gott gibt sich hin, entäußert sich. Gibt alle Macht ab und stellt alle Machtverhältnisse auf den Kopf.

Euer Verhältnis zueinander soll der Gemeinschaft mit Jesus Christus entsprechen.
Über göttliche Gestalt verfügend, hielt Christus die Gottgleichheit doch nicht wie ein glückliches Los fest, sondern entäußerte sich selbst aller Vorrechte und nahm die Gestalt eines versklavten Menschen an, wurde den Menschen gleich und seine ganze Erscheinung zeigte: Er war ein Mensch wie du und ich. Er erniedrigte sich selbst und war dem Auftrag Gottes gehorsam bis zum Tode, dem Sklaventod am Kreuz. Darum hat Gott den Erniedrigten erhöht und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen erhaben ist, 10damit im Namen Jesu sich alle Knie beugen sollen im Himmel und auf Erden und unter der Erde, 11und jede Zunge bekennen soll, dass Jesus Christus der Herr ist zur Ehre Gottes, unserer Mutter und unseres Vaters. (Philipper 2, 5-11)

Gott kommt in Jesus Christus zur Welt. Er erweitert seine treue, menschliche Beziehung zu seinem auserwählten Volk Israel und wird Mensch für alle Menschen. Er, der in göttlicher Gestalt war, hält es nicht daran fest, gottgleich zu sein, sondern wird Mensch, ja Sklave. D.h. Jesus, das Ebenbild Gottes, klammerte sich nicht daran, Gott gleich zu sein – wird Mensch, nimmt dabei die niedrigste Position ein, die es in einer Gesellschaft gibt. Um noch ein kleine Adorno Erinnerung aus der Negativen Dialektik hinzuzufügen: Transzendenz im Luderbach! Da, ja fast nur da sei sie zu suchen und zu finden.
Keine Vereinnahmung aber eine Ähnlichkeit. An den tiefsten Punkt von Menschenleben eben bis in den Tod, stellt sich Gott uns zur Seite. Gott selbst hält nicht daran fest, Gott zu sein. Oder auch er kann und will nur so Gott sein in dieser Solidarität.
Mit ungeheurer Wucht wird den Philippern, wird uns vor Augen geführt, wie es unter uns sein soll, wie wir ermutigt sind, befreit sind zu handeln, nämlich wie Ebenbilder dieser Entäußerung.
Nicht festhalten an dem was ist, an dem was wir zu sein glauben, sondern loslassen, den anderen der ihre werden, eintauchen in die Welt, ohne mit ihr gleich zu werden, aber doch an der Seite der Erniedrigten und einfach der Anderen. Sich nicht zu schade sein, anderes zu tun, als das Bestandssichernde.
Wie eng hier Paulus das Verhältnis von Tun und Glauben, Fi-des, Glauben und Tun strickt! Durch die Selbsterniedrigung Gottes in Jesus Christus, und natürlich nicht zu vergessen durch seine Erhöhung, das Angeld auf die Überwindung des Todes, die Auferweckung Jesu, bekommt seine Gemeinde, bekommen wir zugesprochen, wahrhaftige Gemeinschaft üben zu können untereinander und mit der Welt.

Eine Kampfansage gegen jede Menschenverachtung. Ebenbildlichkeitserinnerungshymnus wäre auch ein schöner Titel für den Philipperhymnus. Der Hymnus insistiert darauf, dass wahrhaftes Christein ja vielleicht wahres Menschsein Gottesebenbildlichkeit ist.

Das Niedrige ist das erwählte, der Luderbach. Die Bibel verherrlicht Not nicht, aber erzählt davon, dass Gott da und da ganz besonders ist, wo Menschen in Not, allein, elend unterdrückt werden. Der Philipperhymnus ist wie eine Abkürzung der Schrift: das Hohe ist nicht das Hohe und das Tiefe nicht das Tiefe. Der Gott Israels, der uns mit Jesus Christus nahekommt, tritt mit seiner Verheißung für das Schwache ein, um zu stärken, zu verändern, aus aller Not zu retten. Der Messias reitet auf einem Esel, der Sklave wird mit Palmen begrüßt.

Mitten in deine unsere Leere hinein gibt Gott seine Fülle. In Hoffnungslosigkeit kommt die Verheißung: Der Tod hat nicht das letzte Wort hat. Jesus zeigt auf dem Weg der Entäußerung, wie es ist, tot lebendig zu bleiben.

Im Zerbrochenen ist Gott anwesend, in seiner ganzen Fülle. Gottes Menschwerdung hilft auf dem mühsamen Weg zu unserer Menschwerdung, nicht allein jede und jeder für sich, sondern: so sollt ihr Gemeinschaft haben.
amen.